Leitwährung: Ist der US-Dollar nur noch eine Weltwährung auf Abruf?
Düsseldorf. Mit seinen Zolleskapaden, Angriffen auf Handelsinstitutionen und die US-Notenbank untergräbt US-Präsident Donald Trump seit seinem Amtsantritt das Vertrauen in die USA. Doch nicht nur das. Er verspielt damit auch das Vertrauen in den US-Dollar, der seit Jahrzehnten unangefochtene Weltleitwährung ist.
Mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs rückte der US-Dollar ins Zentrum des Weltfinanzsystems. Er wurde zur zentralen Werteinheit, mit der alle grenzüberschreitenden Zahlungen abgewickelt werden konnten.
Auch nach dem Zusammenbruch des Bretton-Woods-Festkurssystems im Jahr 1973 und der Suspendierung des Rechts auf einen Umtausch von Dollar in Gold behielt die US-Währung ihre Funktion als Weltwährung – nicht zuletzt wegen eines Abkommens zwischen US-Präsident Richard Nixon und dem saudischen König Faisal. Darin verpflichtete sich Saudi-Arabien gegen militärische Sicherheitsgarantien der USA, Erdöl ausschließlich in US-Dollar abzurechnen.
Dies garantiert den USA bis heute eine hohe Nachfrage nach Dollar. So und nur so ist die größte Volkswirtschaft der Welt in der Lage, ihre exorbitanten Handels- und Haushaltsdefizite zu finanzieren. Die USA importieren Waren aus der aller Welt – und exportieren mit dem Aufdruck „US-Dollar“ versehenes bedrucktes Papier in Form von Banknoten und Staatsanleihen. Jedes andere Land hätte angesichts solcher gigantischen Doppeldefizite längst den Staatsbankrott anmelden müssen.
Dieses bislang ungebrochene Vertrauen in die USA und damit die Nachfrage nach US-Dollar droht Präsident Donald Trump gerade zu verspielen. Er überzieht faktisch alle Länder der Welt mit Zöllen, schwächt die von den USA dominierten globalen Finanz- und Handelsinstitutionen IWF, Weltbank sowie WTO und desavouiert offen die mächtigste Institution im Weltfinanzsystem, die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) als Hüterin des Dollars.
Selbstdemontage der führenden Wirtschaftsnation
Die Reaktionen der Finanzmärkte auf diesen Kurs lesen sich wie aus dem Lehrbuch: Der Vertrauensverlust führte zu einer Abwertung des Dollars und höheren Marktzinsen für US-Anleihen. In der Spitze verlor der US-Dollar in den vergangenen Wochen gegenüber dem Euro fast 15 Prozent an Wert, und die Leitzinsen in den USA sind doppelt so hoch wie im Euro-Raum.
Angesichts einer Staatsverschuldung von fast 37 Billionen Dollar oder 125 Prozent in Relation zur gesamtwirtschaftlichen Leistung des Landes absorbieren die Zinszahlungen im US-Haushalt nahezu 85 Milliarden Dollar – monatlich. Rein rechnerisch zahlt jeder US-Bürger dafür nahezu zehn Dollar pro Tag an Zinsen. Die US-Regierung gibt mehr Geld für den Schuldendienst aus als für das Militär.
Gleichzeitig treibt der Kursverlust des Dollars die Preise für Importe in die Höhe. Dies erhöht die Gefahr weiterer Inflationsschübe – und steht die Wirtschaft stimulierenden Zinssenkungen der Fed entgegen. Die von Trump verhängten oder angedrohten Importzölle tun ein Übriges.
Durch seine Ignoranz gegenüber ökonomischen Fakten droht Trump innerhalb kurzer Zeit das zu zerstören, was die USA zu dem gemacht hat, was sie heute sind: die unangefochtene globale „Économie dominante“.
Europa muss umdenken
Niemand, der mit einem gesunden Menschenverstand ausgestattet ist, kann Interesse an einer US-Finanzkrise oder gar an einem Zusammenbruch des internationalen Finanzsystems haben. Gleichwohl bietet der freiwillige Verzicht der USA auf die Vormachtstellung ihrer Währung auch Chancen für die übrige Welt, insbesondere für China und vor allem für Europa.
Nun ist der chinesische Renminbi wegen der Furcht Pekings vor Währungsspekulationen nicht frei konvertierbar. Ungeachtet der Tatsache, dass China mit wichtigen Handelspartnern wie Russland, Pakistan und Iran verstärkt Geschäfte in der eigenen Währung abwickelt, dürfte sich der Renminbi nicht als Weltwährung etablieren. Die wohl berechtigte Sorge der Investoren vor politischen Interventionen verhindert dies.
Der Schweizer Franken ist als internationale Reservewährung schlichtweg zu unbedeutend. Deshalb kommen Notenbanken, die ihre Währungsreserven anlegen wollen, aber angesichts der jüngsten Verwerfungen dem Dollar misstrauen, kaum um den Euro herum.
Damit der Euro seine Position als Weltwährung nachhaltig ausbauen kann, ist ein echtes Umdenken in den wichtigsten europäischen Hauptstädten erforderlich. Europa braucht eine koordinierte Finanzpolitik und ein System, um ökonomische oder geopolitische Schocks abfedern zu können.
Die gemeinsamen Anleihen, die im Rahmen des Corona-Wiederaufbaufonds emittiert wurden, sollten daher keine Ausnahme bleiben. Wer mit triftigen Gründen über eine gemeinsame Verteidigungspolitik oder gar eine gemeinsame Armee der EU-Staaten nachdenkt, der sollte vor einer Finanzierung über Euro-Bonds, also gemeinschaftliche Schulden, nicht kategorisch zurückschrecken.
Die neu ins Amt gekommene Regierung in Berlin bietet die Chance für einen Neuanfang – nicht zuletzt bei den deutsch-französischen Beziehungen. In früheren Jahrzehnten kamen zentrale Impulse für ein geeintes Europa oft von dieser „deutsch-französischen Achse“. Diese vom damaligen Bundeskanzler Konrad Adenauer und dem französischen Präsidenten Charles de Gaulle begründete enge Kooperation gilt es zu revitalisieren und Polen einzubeziehen.
Vertiefung des Staatenbundes ist entscheidend
Die ersten Tage von Kanzler Friedrich Merz deuten darauf hin, dass er bestrebt ist, die unter der Ampelregierung entstandenen Irritationen zwischen Deutschland und Frankreich aus dem Weg zu räumen und die Beziehungen zu Polen zu vertiefen.
Klar ist, ein neuer, weitreichender Integrationsschritt würde auch die bislang unantastbaren Punkte der nationalen Souveränität wie die Steuerhoheit und das Budgetrecht der Parlamente betreffen. Letztlich wäre eine demokratisch legitimierte europäische Regierung erforderlich – angesichts des Stimmenwirrwarrs aus 27 Hauptstädten derzeit kaum denkbar.
Will sich die EU jedoch als geopolitisches Machtzentrum etablieren, muss ein Mechanismus gefunden werden, um unkooperative Mitglieder zu sanktionieren. Ungarn steht für etwas mehr als ein Prozent der Wirtschaftsleistung der EU. Dennoch verfügt der amtierende Staatschef Orban über ein beachtliches Störpotenzial – und ein Blick nach Rumänien oder in die Slowakei lässt befürchten, dass er bald Nachahmer finden wird.
Die Anzahl der EU-Mitglieder ist schnell gestiegen, nicht aber gleichermaßen der geopolitische Einfluss dieser Gemeinschaft. Daher stellt sich die Frage, ob es nicht an der Zeit wäre, der Vertiefung des Staatenbundes größeres Gewicht beizumessen als der Aufnahme neuer Mitglieder. Für die politische Bedeutung Europas in der Welt ist es wichtiger, dass ein großes und wirtschaftlich dynamisches Land wie Polen womöglich bald den Euro einführt, als die Frage, ob und wann weitere Kleinstaaten in den Staatenbund aufgenommen werden könnten.
Ein als Weltwährung akzeptierter Euro würde dem europäischen Verbund von mittelgroßen und kleinen Staaten ein echtes weltwirtschaftliches und damit auch geopolitisches Gewicht verleihen, gerade gegenüber den Supermächten USA und China.
„Der Euro ist dazu bestimmt, eine schwache Währung zu sein“, sagte der Philanthrop George Soros 1999. Man kann nur hoffen, dass der ungemein erfolgreiche Spekulant mit dieser Prognose falschlag.