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Prüfers KolumneDie Avocado und das Rätsel der Reife

Deutschland importiert jährlich über 150.000 Tonnen Avocados. Sie ist gesund und modern – und doch bleibt ihr perfekter Moment ein Geheimnis. Scanner sollen das Rätsel lösen.Tillmann Prüfer 13.09.2025 - 10:36 Uhr Artikel anhören
Der Autor ist Mitglied der Chefredaktion des „Zeit-Magazins“. Foto: Handelsblatt

Die Avocado ist eine erstaunliche Frucht. Sie hat sich von einer botanischen Randerscheinung zu einem globalen Symbol entwickelt. Vor zehn Jahren galt sie noch als exotisch, heute importiert Deutschland mehr als 150.000 Tonnen im Jahr. Das grüne Oval ist ein Versprechen: Wer es kauft, holt sich Kalifornien ins Frühstück, Mexiko ins Abendbrot und ein Stück urbanen Lifestyle in die Küche.

Die Avocado ist so, wie viele Deutsche gern wären: gesund, modern, international, weiche Schale, harter Kern, außen grün, aber innen eher gelb. Und sie ist ein Quell nicht endenden Smalltalks. Man kann sich darüber unterhalten, ob sie eigentlich Obst oder Gemüse ist, einander erklären, dass sie eigentlich eine Beere, gar eine Lorbeere ist.

Über die Avocado gibt es allerlei Interessantes zu berichten: Sie liefert Folsäure, Kalium, ungesättigte Fettsäuren. Für ein Kilo Avocados braucht es fast 2000 Liter Wasser – während für Tomaten ein Zehntel genügt. Das Größte liegt jedoch nicht im Anbau, sondern im Verzehr. Niemand weiß je genau, ob die Avocado genießbar ist. Der Moment der perfekten Reife ist kurz. Wer eine Avocado kauft, versucht, sie kurz einzudellen. Das aber gefällt den Supermärkten nicht. Viele Früchte werden dabei zerdrückt.

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Nun soll die Technik helfen. In britischen Supermärkten stehen Scanner, die mit Infrarotstrahlen den Reifegrad bestimmen. Auch deutsche Händler experimentieren damit. Ein Lichtsignal zeigt an, ob die Frucht sofort gegessen werden kann oder besser noch zwei Tage liegen sollte. Endlich lässt sich das Rätsel entschlüsseln. Die Avocado wird berechenbar.

Wir lassen inzwischen alles messen

Diese Entwicklung passt in unsere Zeit. Wir messen längst unseren Schlaf, zählen Schritte, lassen unseren Puls überwachen. Wir prüfen Börsenkurse im Sekundentakt, vergleichen Preise per App. Warum also nicht auch den Reifegrad einer Avocado?

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Und warum nicht noch mehr solche Scanner? Obst und Gemüse wären nur der Anfang. Die Geräte könnten angeben, ob ein Wein im Regal wirklich noch lagerfähig ist. Sie könnten anzeigen, ob ein Pullover nach zweimal Waschen die Form behält. Oder ob ein Sofa im Möbelhaus wirklich in die eigene Wohnung passt.

Dabei würde uns doch dem Leben jede Spannung genommen. Denn wer eine Avocado kauft, weiß, dass er sich auf eine Unsicherheit einlässt. Dass er vielleicht enttäuscht wird. Aber auch, dass er im richtigen Moment belohnt werden kann.

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