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Prüfers KolumneÜber verdächtige Umbenennungen bei Mercedes

Dass wir nicht mehr von Luxus sprechen mögen, wie jetzt der deutsche Autobauer, ist wohl weniger Ausdruck von Bescheidenheit. Es ist pure Verlegenheit.Tillmann Prüfer 23.08.2025 - 10:24 Uhr Artikel anhören
Der Autor ist Mitglied der Chefredaktion des „Zeit-Magazins“. Foto: Handelsblatt

Bei Mercedes spricht man jetzt nicht mehr von Luxus, hat Mercedes-Chef Ola Källenius jüngst erklärt. Man spricht jetzt von Top-End. Top-End ist allerdings so ziemlich alles bei Mercedes. Das Produkt ist also das gleiche, man möchte es nur anders genannt wissen.

Luxus war doch immer ein schillernder Begriff. Rousseau verwarf ihn im 18. Jahrhundert als Verderbnis der Sitten, Montesquieu hingegen sah in ihm den Motor der Verfeinerung der Gesellschaft. Der Soziologe Georg Simmel beschrieb Luxus um 1900 als „Übersteigerung des Lebensgefühls“. Allen Deutungen ist gemeinsam: Luxus ist nie privat. Er muss gezeigt werden, sonst ist er keiner. Luxus ist nicht einfach teuer, er ist exklusiv.

Deshalb mochten die Deutschen nie gerne im Luxus schwelgen. Wenn man hier teure Produkte kauft, dann muss man dabei immer betonen, dass es aus einer zwingenden Notwendigkeit geschieht. Nicht weil man besser sein möchte als andere, sondern weil man einfach ein sinnvolles Werkzeug zum Leben braucht, das auch seinen Preis haben kann. Somit passt Top-End ja sehr gut.

Es gibt nur einen Begriff, mit dem die Deutschen noch weniger gut können: den „Überfluss“. Dabei ist der Überfluss das, was bei einem Brunnen über das Brunnenbecken hinausplätschert. Ohne Überfluss ist ein Brunnen eben nicht schön, sondern nur eine Wasserquelle. Damit eine Gesellschaft es schön hat, braucht es Überfluss. Aber offenbar fürchtet eine Marke heute nichts mehr, als den Eindruck zu erwecken, überflüssige Produkte zu produzieren – eben Luxusprodukte.

Gerade bei Autos ist das eine lustige Entwicklung, denn tatsächlich waren sie ja nie mehr mit Überflüssigem beladen als heute. Wer braucht schon einen Kühlergrill, der beleuchtet ist? Oder eine Leuchte in der Tür, die beim Öffnen das Logo auf den Boden projiziert? Wer braucht überhaupt ein SUV, das so breit ist wie ein Wohnzimmer?

Aber vielleicht will man das ja trotzdem haben. Luxus ist die Freiheit, sich vom Funktionalen zu lösen. Er schafft Räume, in denen das Leben nicht nur nützlich ist. Das Überflüssige, sagt Simmel, macht den Reichtum des Daseins aus.

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Dass wir nicht mehr von Luxus sprechen mögen, ist wohl weniger Ausdruck von Bescheidenheit als von Verlegenheit. Wir möchten nicht als Leute dastehen, die mit ihrem Besitz protzen. Wir möchten aber trotzdem besitzen. Wer von „Top-End“ spricht, will den Luxus unsichtbar machen, ohne auf ihn zu verzichten. Das hat etwas ziemlich Verbrämtes. Wir trauen uns nicht dazu zu bekennen, dass wir eine verdammt fette Karre haben wollen, weil wir es verdammt noch mal verdient haben. Wir brauchen ein Top-End-Auto, weil wir ein Top-End-Leben führen.

Dann ist es vielleicht doch ganz schön, dass dies ein deutsches Phänomen ist. Wenn nun Prada in Italien Top-End-Kollektionen präsentieren würde, in Frankreich Louis Vuitton für top-endig gearbeitete Taschen werben würde, dann hätte der Spaß wirklich ein Ende. Wenn auch ein Top-Ende.

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