Prüfers Kolumne: Die Erfahrenen von heute sind die Loser von morgen

In einem Wirtschaftspanel der „New York Times“, wo Männer mit Headsets große Sätze sagen, hat Brad Lightcap, der Chief Operating Officer von OpenAI, etwas eher Unerhörtes gesagt: Nicht die Berufsanfänger seien durch Künstliche Intelligenz bedroht, sondern die Erfahrenen. Die, die wissen, wie man Dinge richtig macht – und die seit Jahren dafür bezahlt werden, sie genau so zu machen.
Bislang galt Erfahrung als ultimative Jobversicherung. Wer wusste, wie die Dinge laufen, der durfte sich sicher fühlen – vielleicht sogar eine Gehaltserhöhung fordern. Man hatte die Auf und die Abs erlebt und ein Netzwerk aufgebaut, auf das man sich verlassen konnte. Doch nun sollen ausgerechnet die Neuen mit ihrer Unerfahrenheit im Vorteil sein?
Der Open-AI-Chef meinte: weil sie sich nicht dagegen wehren, dass eine Maschine ihnen hilft. Oder ihnen etwas abnimmt. Er meinte vielleicht auch: oder ihnen ganz den Job wegnimmt, aber wenigstens dabei höflich bleibt. Offenbar überflüssig ist heute etwas wie ein Faxgerät: Man kann es behalten, wenn man es unbedingt braucht – aber man sollte nicht überrascht sein, wenn jemand fragt, wozu das eigentlich noch gut ist.
Die Unwissenden hingegen haben nichts zu verteidigen und nichts zu verlieren. Sie wissen nicht, wie man früher Präsentationen gebaut hat – sie schreiben sie einfach direkt ins Chatfenster. Sie googeln nicht, sie prompten. Sie müssen sich keine Gedanken machen, ob sie sich damit überflüssig machen, weil sie sich noch nie unersetzlich fühlen durften. Sie spüren keinen Schmerz, wenn die KI sie überflüssig macht, weil sie sich ohnehin schon so gefühlt haben.
Die Berufsgruppe, die offenbar am meisten von der Künstlichen Intelligenz bedroht ist, sind erfahrene Programmierer. Sie können zwar viel mehr als jeder andere Mensch, aber nicht mehr als die Maschine. An solchen Leuten kann man am besten sparen.
Natürlich ist das ungerecht. Menschen, die viel wissen, werden von der KI so behandelt, als sei ihr Wissen ein bisschen umständlich. Und das ist es ja auch – jedenfalls im Vergleich zu einem Modell, das nicht müde wird, neue Gliederungsvorschläge zu liefern. Und keine Kränkung kennt.
Man kann sich darüber ärgern – oder sich daran erinnern, dass man selbst auch einmal ohne Plan begonnen hat. Und trotzdem nicht dümmer war. Nur langsamer. Vielleicht ist das der Moment, in dem man seine Erfahrung nicht als Besitzstand betrachtet, sondern als Ballast, den man loswerden kann. Denn wer sich weigert, sich von einer Maschine helfen zu lassen, weil er „es lieber richtig machen möchte“, der darf sich nicht wundern, wenn er demnächst nur noch die Maschine beaufsichtigt. Von außen.
Vielleicht ist das die neue Karrierefrage: Nicht mehr: „Was haben Sie schon gemacht?“, sondern: „Was würden Sie sich trauen, noch mal neu zu tun?“ Wer darauf keine Antwort hat, darf seine Erfahrung behalten. In einer kleinen Schachtel. Ganz oben im Regal. Direkt neben dem Faxgerät.



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Erstpublikation: 09.08.2025, 11:00 Uhr.





