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Prüfers KolumneUnfassbare Studie – ein Ruckelbild zerstört Karrieren

Forscher warnen vor „Uncanny-Momenten“. Vielleicht sollte man zum nächsten Bewerbungsgespräch besser wieder persönlich erscheinen. Nur bitte nicht mit der Bahn.Tillmann Prüfer 13.12.2025 - 09:44 Uhr Artikel anhören
Der Autor ist Mitglied der Chefredaktion des „Zeit-Magazins“. Foto: Handelsblatt

Früher musste man für ein Bewerbungsgespräch aufwendig anreisen. Heute macht man das online – und das ist offenbar nicht ohne Risiko. Forscher der Columbia University in New York haben untersucht, ob die Übertragungsqualität von Videokonferenzen Einfluss auf die Entscheidung hat. Für ihr Experiment zeigten sie Probanden Videos von Bewerbungsgesprächen, einige davon bewusst mit leichten Störungen versehen. Das Ergebnis: Gespräche mit schlechter Bildqualität führten deutlich seltener zu Einstellungen.

Die Wissenschaftler erklären das mit dem Phänomen der „uncanniness“ – einem unterbewussten Gefühl, dass etwas nicht stimmt. Ein technisches Zittern, ein winziger Ruckler, und ein Mensch wirkt sofort weniger vertrauenswürdig, beinahe so, als sei er nicht ganz in der Realität verankert. Ein „Uncanny-Moment“ eben: ein kleiner Riss in der Wirklichkeit, der uns irritiert, ohne dass wir sagen können, warum.

Solche Risse begegnen uns ständig. Ein Lichtschalter, dessen Funktion niemand kennt. Ein Aufzug, der einen Moment zu lange braucht, bevor sich die Türen öffnen. Oder ein Mensch an der Supermarktkasse, der plötzlich ungewöhnlich freundlich ist – was in unserer Erwartungsökonomie fast schon verdächtig wirkt. Der Alltag ist voller kleiner Störungen, die uns verunsichern, weil sie nicht ins vertraute Muster passen.

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Wenn Passwörter uns zur Verzweiflung bringen

Vielleicht erklärt dieses diffuse Misstrauen sogar einen Teil der wirtschaftlichen Lage. Wenn schon ein ruckelndes Videobild ausreicht, um Kandidaten auszusortieren, könnten in den vergangenen Jahren viele Einstellungen an solchen Ministörungen gescheitert sein. Das trägt zum Fachkräftemangel bei. Und je mehr Spezialisten fehlen, desto häufiger hakt es an anderer Stelle – und desto misstrauischer wird man wieder. Ein wirtschaftlicher Kurzschluss, der ganz ohne komplizierte Modelle auskommt: Störung erzeugt Misstrauen, Misstrauen verhindert Einstellung, fehlende Einstellung erzeugt neue Störungen.

Bewährung, wenn die Leitung gut ist

Problematisch wird es, wenn technische Unsauberkeiten rechtliche Folgen haben. In einem weiteren Experiment zeigte sich, dass Angeklagte bei makellosen Online-Anhörungen in 60 Prozent der Fälle Bewährung erhielten, bei schlechter Verbindung nur in 48 Prozent. Offenbar wirkt selbst digitales Stottern wie ein moralischer Makel – als würde die Technik einen Schatten auf die Person werfen.

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In einer Welt voller Kameras, Leitungen und Mikrofone hängt der Ruf eines Menschen manchmal an denselben Kräften wie der Ton eines Livestreams. Und wer möchte schon, dass die eigene Zukunft daran scheitert, dass irgendwo ein Router schlechte Laune hat?

Vielleicht sollte man zum nächsten Bewerbungsgespräch doch wieder persönlich erscheinen. Nur besser nicht mit der Bahn – denn zu noch weniger Einstellungen führen bekanntlich jene Gespräche, zu denen man erst Stunden später auftaucht.

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