Kommentar: AfD-Ergebnis ist kein Grund zur Entwarnung nach der Thüringen-Wahl


Wenn die Kommunen die Basis unserer Demokratie sind, dann sollte man die Ergebnisse der Kommunalwahlen in Thüringen als Warnsignal verstehen. Der befürchtete Durchmarsch der rechtsextremen AfD von Landeschef Björn Höcke blieb zwar aus.
In vielen Regionen in Thüringen gibt es nun aber Stichwahlen mit AfD-Beteiligung. Und in einigen Kreistagen und Stadträten wird die Partei wohl stärkste Kraft. Insgesamt legte die AfD zu. Und das ist vor dem Hintergrund, dass sich die Partei zunehmend radikalisiert und in Europa zunehmend isoliert, ebenso überraschend wie bedenklich. Selbst wenn man berücksichtigt, dass die Höcke-AfD eigentlich reihenweise Landratsämter und Rathäuser erobern wollte, um sich für die Landtagswahl im Herbst in Stellung zu bringen.
Zu denken geben sollte nicht nur, dass jeder vierte Wähler im Kreis Hildburghausen einen bundesweit bekannten Neonazi als Landrat sehen will – auch wenn der Mann nicht von der AfD ins Rennen geschickt wurde. Bedenklich ist auch, dass sich die AfD immer mehr zu einer Macht in den Kommunalvertretungen zu entwickeln scheint. Damit wird es immer schwerer, sie auszugrenzen. In manchen Fällen wird es gar nicht mehr ohne die Partei funktionieren können.
Wie AfD-Wähler für das demokratische Lager zurückgewonnen werden könnten
Das legen die Wahlergebnisse nahe. Die Partei konnte ihre Stimmenanteile bei den Wahlen der Kreistage und Stadträte der kreisfreien Städte landesweit um fast zehn Prozent verbessern und liegt damit nur knapp hinter der CDU. Die Verschiebung der politischen Kräfteverhältnisse nach rechts hat sich offenbar auf breiter Front vollzogen.
Die anderen Parteien müssen sich fragen, wie es so weit kommen konnte. Einfach nur darauf zu vertrauen, dass AfD-Skandale wie die Verurteilung des Hardliners Höcke wegen Nutzung einer Nazi-Parole die Partei schon Stimmen kosten werden, ist keine Strategie. Selbst die mutmaßlichen Verflechtungen prominenter AfD-Politiker mit China und Russland schrecken viele Wähler offenbar nicht ab.
Diese Entwicklung ist beängstigend und kein gutes Omen für die Landtagswahl im Herbst. Thüringen droht kräftig nach rechts zu kippen, was die Regierbarkeit des Bundeslandes deutlich erschweren dürfte.
Um nun gegenzuhalten, braucht es aber mehr als nur Warnungen, dass eine starke AfD die Demokratie gefährde. Solche Reaktionen offenbaren eher politische Ratlosigkeit. Auch mit Forderungen nach einem Parteiverbotsverfahren wird man keinen Wähler der AfD für das demokratische Lager zurückgewinnen.
Zielführender wäre, Demokratie wieder stärker als Graswurzelbewegung zu begreifen, die vor Ort auch sichtbar wird. Die Parteien sollten hier nicht der AfD das Feld als Kümmerer überlassen, sondern selbst viel stärker mit den Bürgerinnen und Bürgern ins Gespräch kommen, ihre Sorgen und Nöte aufnehmen und ehrliche Politikangebote machen.



Das mag anstrengende, manchmal auch zähe regionale Kärrnerarbeit sein. Wenn es damit gelingt, die AfD zurückzudrängen, war es die Mühe wert.
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