Kommentar: Anleger sollten nicht auf steigende Ölpreise wetten

Bin Salman versucht, mit einem Mix aus Zuckerbrot und Peitsche die übrigen Opec-Staaten auf Linie zu bringen.
Frankfurt. Kaum eine Investmentstrategie hat in diesem Jahr so verlässlich Gewinne geliefert wie der „Notenbank-Put“. Damit ist das blinde Vertrauen darauf gemeint, dass die Notenbanken mit ihrer lockeren Geldpolitik die Anleger vor Verlusten am Aktienmarkt schützen.
Das Ölkartell Opec und allen voran, ihr mächtigster Akteur, der saudische Ölminister Prinz Abdulaziz bin Salman, sehen sich als Notenbanker des Ölmarktes. Ölpreise von um die 40 Dollar pro Fass ist aus Sicht der Opec-Staaten viel zu wenig. Doch die Anleger sollten daraus nicht den Schluss ziehen, dass bin Salman sie vor Verlusten am Ölmarkt bewahrt.
Das verdeutlicht die sich abzeichnende Entscheidung der Opec, ab August wieder mehr Öl zu fördern. Sie ist riskant: Denn angesichts steigender Covid-19-Fallzahlen in großen Volkswirtschaften wie den USA, Indien oder Brasilien wächst die Sorge, dass die Ölnachfrage erneut einen Rückschlag erleidet. Bei einem neuen Überangebot am Ölmarkt wäre eine Korrektur der Ölpreise die wahrscheinliche Folge.
Um im Bild zu bleiben: Das wäre etwa so, wie wenn die Fed die Zinswende einleiten würde, obwohl die Staatsverschuldung auf immer neue Rekorde steigt.
Die Entscheidung offenbart, wie wenig die Opec oder Saudi-Arabien als wichtigster Akteur am Ölmarkt mit einer Zentralbank gemein hat. Denn die Opec ist keineswegs eine Institution, die sich mit scheinbar unbegrenzten Mitteln gegen eine unliebsame Marktentwicklung stemmen kann. Die Förderkürzungen sind eine äußerst schmerzhafte Einschränkung für die meisten Opec-Staaten.
Preiskrieg mit Russland ist mahnendes Beispiel
Die Aussicht auf eine steigende Produktion trotz des unsicheren Ausblicks ist eine Konzession an jene Mitglieder der Opec-plus-Allianz, denen es schwerfällt, die Preisschwäche durchzustehen. Sie ist das notwendige Übel, das Saudi-Arabien eingehen muss, um die Stabilität des 23 Staaten umfassenden Bündnisses zu gewährleisten.
Bin Salman versucht, mit einem Mix aus Zuckerbrot und Peitsche die übrigen Opec-Staaten auf Linie zu bringen. Nur wenn sich alle an die Förderkürzungen halten, will auch das Königreich seine Verpflichtungen erfüllen. Der Preiskrieg mit Russland vom März und April, der die Ölpreise zwischenzeitlich unter 20 Dollar pro Fass drückte, dient dabei als mahnendes Beispiel.
Der Konflikt ist auch eine Mahnung für Anleger, die darauf setzen, dass die Saudis alles dafür tun, um den Ölmarkt in einer Balance zu halten und die Preise zu stützen. Bin Salman hat keine Skrupel gezeigt, kurzfristig dem Chaos freien Lauf zu lassen, um seine Macht zu demonstrieren. Das dürften auch einige Investoren zu spüren bekommen haben. Kein moderner Notenbanker der Welt würde die eigene Volkswirtschaft so in Gefahr bringen.





