Kommentar: Attacke statt Annäherung: China provoziert beim Treffen mit US-Regierungsvertretern
Beim Besuch der amerikanischen Vize-Außenministerin Sherman wirft Peking Washington einseitige Aggression gegen die Volksrepublik vor und versucht so, den Diskurs zu beeinflussen.
Foto: imago images/Björn TrotzkiFast wäre der Besuch der amerikanischen Vizeaußenministerin Wendy Sherman in China – immerhin die erste hochrangige Visite einer Vertreterin der US-Regierung seit Monaten – schon an einer protokollarischen Unstimmigkeit gescheitert. Sherman wollte Chinas Außenminister Wang Yi treffen und nicht nur dessen Stellvertreter, vermutlich, weil Wang die besseren Verbindungen zu Chinas mächtigem Staats- und Parteichef Xi Jinping hat.
Peking lehnte das zunächst ab, der Besuch stand laut einem Bericht der „Financial Times“ deshalb sogar ganz auf der Kippe. Am Ende lenkte die chinesische Führung dann doch ein.
Doch auch das half am Ende nichts. Denn statt das Treffen zu nutzen, um sich auf persönlicher Ebene wieder anzunähern und den Konflikt zwischen den Großmächten zu entschärfen, irritierte Wang Yi die USA bereits vor Beginn der Gespräche mit heftigen rhetorischen Attacken.
Der Ton für das eigentliche Treffen war gesetzt. Beim Besuch von Sherman warf Vize-Außenminister Vizeaußenminister Xie Feng Washington dann gar die „Dämonisierung“ Chinas vor.
Zwar dürften die harten Worte gegen die USA in erster Linie nach innen gerichtet sein: Chinas Politelite stellt sich gegenüber der chinesischen Bevölkerung gern als starke Führung dar, die die Volksrepublik gegen Gefahren von außen verteidigt. Tatsächlich funktioniert diese Strategie. Der Nationalismus ist in der Bevölkerung zunehmend populär.
Machtdemonstration Chinas
Doch nach außen wirkt die Strategie kontraproduktiv. Denn Peking erweckt mit diesem Vorgehen den Eindruck, medienwirksamer Krawall sei wichtiger als ernsthafte und deeskalierende Gespräche.
Weder Vertrauen noch Glaubwürdigkeit – beides die notdwendige Voraussetzung für eine Annäherung – erzielt Peking mit dieser Strategie. Und ohne Zweifel steht für Peking bei der von den USA angestrebten Entkopplung mehr auf dem Spiel als für Washington.
Es ist nicht das erste Mal, dass die chinesische Staatsführung versucht, sich im Konflikt zwischen den zwei Großmächten als Opfer darzustellen. Das Narrativ, dass Kritik an China aus kulturellen Gründen nur hinter verschlossenen Türen geäußert werden sollte, hält sich zwar bei manch einem im Westen immer noch hartnäckig. Doch Peking seinerseits scheut die offene Kritik an anderen nicht.
Die deutsche Wirtschaft sollte sich das Vorgehen Pekings sehr genau anschauen. Zwar sind deutsche Firmen in der Volksrepublik im Gegensatz zu US-Unternehmen weniger gezielt Opfer von Attacken durch nationalistische, von Staatsmedien und Parteiorganisationen angestachelte Bürger.
Doch Kollateralschäden gibt es auch jetzt schon. Zudem bereitet China so den Boden für Gegenmaßnahmen, die auch ausländische Unternehmen treffen könnten, die in der Volksrepublik Geschäfte machen und sich an amerikanische oder europäische Sanktionen halten.