Kommentar: Befreit die Notenbanken von der Politik!

Er hat geliefert wie versprochen.
Die US-Notenbank (Fed) hat geliefert, was sie angekündigt hat: die geldpolitische Wende. Bis in die Details hinein blieben die Entschlüsse, um die Bilanzsumme bis Mitte des kommenden Jahres zu stabilisieren, ohne Überraschung – ein Zeichen für gute Kommunikation im Vorfeld.
Die Europäische Zentralbank (EZB) wird im Dezember die Normalisierung der Geldpolitik einleiten, hat dabei aber noch einen weiteren Weg zurückzulegen als die Fed. Aber das passt dazu, dass Europa im wirtschaftlichen Zyklus hinter den USA zurückliegt.
Wenn die Notenbanken die Geldpolitik normalisieren, wird es Zeit, sie von politischen Lasten zu befreien – vor allem von ungelösten Verteilungsproblemen. In der Pandemie haben Finanz- und Geldpolitik wahrscheinlich besser als je zuvor zusammengearbeitet, um wenigstens die wirtschaftlichen Folgen der Seuche, die jetzt schon Millionen Menschenleben gekostet hat, aufzufangen.
Dass am Ende höhere Preise übrigblieben, ist nach einer derartigen Katastrophe alles andere als überraschend. Es hat wenig mit einer politisch oder geldpolitisch hausgemachten Inflationen zu tun.
Doch in Zukunft werden die Interessen der Notenbanken und der Regierung weniger übereinstimmen. Vielleicht sogar weniger, als in der Zeit notorisch niedriger Inflation zwischen der großen Finanzkrise vor über zehn Jahren und der Pandemie. Um so wichtiger ist es, beide Bereiche sauber zu trennen. Wichtig ist vor allem, dass die demokratisch legitimierte Politik keine Aufgaben bei den Notenbanken ablädt, mit denen sie selbst nicht klarkommt.
MMT am Ende
Bei solchen Problemen geht es fast immer um Verteilungsfragen. Schon die große Finanzkrise wurde maßgeblich dadurch ausgelöst: In den USA ersetzte eine laxe Kreditvergabe für ärmere Haushalte eine solide Sozialpolitik – die entsprechenden Kredite brachten später fast das Weltfinanzsystem zum Einsturz. Das System musste mit einer Flut von Geld von den Notenbanken am Leben erhalten werden. Der Versuch, aus diesem Modus auszusteigen, wurde dann durch Corona unterbrochen.
Heute geht es wieder um Verteilungsprobleme. Die US-Regierung unter Präsident Joe Biden versucht mit riesigen Ausgabenpaketen, sozialen Ausgleich zu schaffen. Vor allem bei linken Demokraten kommt dabei die Theorie mit dem Namen Modern Monetary Theory (MMT) gut an, deren Anhänger dazu neigen, alle für dumm zu halten, die nicht ihrer Meinung sind.
Im Grunde läuft MMT darauf hinaus, die Notenbank Ausgaben über Käufe von Staatsanleihen finanzieren zu lassen. So lange die Inflation nicht steigt, so die Theorie, kann der Staat sich quasi unbegrenzt verschulden. Schade nur, dass die Teuerungsrate gerade in den USA deutlich steigt, und das auch wegen der großzügigen Finanzpolitik.
So läuft MMT schneller als gedacht vor die Wand. Der „Economist“ schrieb zu Recht, dass die USA ein Sozialsystem nach europäischem Muster wohl nie ohne eine Mehrwertsteuer finanzieren können – man könnte allgemein sagen: ohne breite steuerliche Basis. Fazit: Die Fed ist die falsche Adresse, die Ungleichheit muss von den Politikern behoben werden.
In Europa stehen dagegen die Spannungen zwischen einzelnen Euro-Ländern im Vordergrund. Euroland hat als einheitlicher Wirtschaftsraum starke und schwache Regionen. Viele Faktoren sind dafür ausschlaggebend, allein schon die geographische Lage: Griechenland, Süditalien und Portugal liegen weit vom Zentrum des Marktes entfernt und gehören nicht zu den reichen Regionen.
Auf Dauer bezwingen können solche Ungleichheiten – und das wird viel zu wenig verstanden und akzeptiert – nur finanzielle Transfers. Die Frage ist nicht ob, sondern wie sie passieren. In Märkten mit verschiedenen Währungen läuft das über die Abwertung schwacher Devisen.
In einem Markt mit einheitlicher Währung läuft es über die Geldpolitik, oder eben direkt und demokratisch legitimiert über einen offenen Finanzausgleich. Wenn gar nichts mehr geht, ist zwangsläufig ein Schuldenschnitt die Lösung, der auch auf einen Transfer hinausläuft.





Oft sind dies dieselben Stimmen, die politische Lösungen von Verteilungskonflikten blockieren wollen und sich hinterher beschweren, wenn sie bei den Geldpolitikern landen. Die Notenbanken sind – egal wie ihr Mandat im Detail definiert ist – de facto für die Stabilität der Preise, der Wirtschaft insgesamt und des Finanzsystems zuständig; alles drei hängt ja auch zusammen. Deswegen können sie Probleme, die man ihnen überlässt, nicht ignorieren. Man sollte ihnen nicht zu viel zumuten.
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