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KommentarBlackout – wenn die Panik selbst die größte Gefahr wird

Ein unkontrollierter Stromausfall in ganz Deutschland: Das ist ein Horrorszenario. Und die Angst davor Treibstoff für destruktive Politik.Kathrin Witsch 16.10.2022 - 14:35 Uhr Artikel anhören

Rechtsextreme schüren die Angst vor einem Blackout.

Foto: REUTERS

Düsseldorf. Gaskocher, Taschenlampe, Wasser, Konserven, Streichhölzer, Kerzen … Sind Sie gewappnet für einen Blackout im Winter? Einen flächendeckenden, über mehrere Stunden andauernden Stromausfall in ganz Deutschland? Falls nicht, ab zum Supermarkt. Zumindest wenn es nach den neuerdings zahlreichen selbst ernannten Blackout-Experten geht.

Selbst gestandene Politiker warnen: „Es droht eine vollkommene Überlastung des Stromnetzes im Herbst und Winter“, erzählt Unionschef Friedrich Merz in jeder zweiten Talkshow. Die rheinländische Hochburg Köln bereitet sich sogar auf bis zu 72 Stunden lange Stromausfälle vor. Allein die Vorstellung, dass eine Großstadt in Deutschland drei Tage lang ohne Strom ist, dürfte selbst dem entspanntesten Jecken Sorgenfalten auf die Stirn treiben. Entsprechend panisch ist die Bevölkerung.

Seit Ende September ist die Broschüre zum Thema „Stromausfall – Vorsorge und Selbsthilfe“ des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe ausverkauft. Die sonst mit Klopapier prall gefüllten Regale in den Supermärkten werden auch schon wieder lichter. Mehr als die Hälfte aller Deutschen hat laut einer Umfrage tatsächlich Angst vor einem flächendeckenden Stromausfall. Das freut besonders diejenigen, die seit Jahren davor warnen.

Ein Szenario für Weltuntergangs-Fans

Spätestens seit Marc Elsbergs Erfolgsroman „Blackout“, in dem das europäische Stromnetz ganze zwei Wochen durch einen Terrorakt lahmgelegt wird, haben die Weltuntergangs-Fans ein neues Lieblingsszenario. Die Jahrtausendwende war ja aus Prepper-Sicht leider ein Reinfall. Jetzt sehen sie ihre Stunde gekommen. Schließlich war die Lage im Stromnetz noch nie so angespannt wie jetzt.

Aber egal, mit wem man in der Energiebranche spricht: Einen Blackout halten alle für so gut wie ausgeschlossen. Das würde natürlich niemand öffentlich sagen. Terrorakte, Sabotage oder Naturkatastrophen können schließlich immer passieren und kaum verhindert werden. Das mussten Zehntausende von Menschen im vergangenen Jahr im Ahrtal schmerzlich am eigenen Leib erfahren. Teile der Bevölkerung waren dort mehrere Wochen ohne Strom. Selbst das war allerdings noch kein Blackout.

Ein Blackout bezeichnet den unkontrollierten Zusammenbruch großer Teile des gesamten europäischen Stromnetzes. Würde es einen großflächigen, nicht vorhersehbaren Stromausfall in Deutschland geben, könnte das natürlich zu einem Blackout führen. Dieses Szenario gilt unter Experten aber als so gut wie ausgeschlossen, wenn es um die angespannte Versorgungslage in diesem Winter geht.

Im allerschlimmsten Fall müssen Teile der Bevölkerung maximal vier Stunden ohne Strom auskommen. Und selbst das wäre geplant, kontrolliert und mit Vorankündigung. Solche Maßnahmen sind in anderen Ländern übrigens nicht ungewöhnlich, um das Netz stabil zu halten. Zum Beispiel in Frankreich oder Italien. Chaos sieht anders aus.

Aber der hypothetische Blackout ist längst zu einem politischen Kampfbegriff avanciert. Und diese Gefahr wiegt deutlich schwerer als die eines Blackouts. Die rechtsextreme AfD nutzt die Unsicherheit der Bürgerinnen und Bürger besonders aus. Auf Demonstrationen skandieren sie Sprüche wie: „Die Frage ist nicht, ob, sondern, wann es passiert.“  

Das falsche Argument für Atomkraft

Sie warnen vor Plünderungen, knappem Trinkwasser und davor, dass Rettungsdienste nicht mehr verständigt werden können. Auch das „Europäische Institut für Klima & Energie“ (Eike), das den menschengemachten Klimawandel leugnet, stimmt in den Chor mit ein. Die Union nutzt die Situation, um ihr neues Lieblingsthema – die Atomkraft – zu beflügeln. Als ob ein Kraftwerk die Macht hätte, einen Blackout zu verhindern (Spoiler: Das ist nicht der Fall).

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Da grenzt es schon an Ironie, dass die derzeit begehrten Heizlüfter noch mit zur größten Herausforderung für das deutsche Stromnetz werden könnten. Besorgte Bürgerinnen und Bürger kaufen die strombetriebenen Heizungen aktuell in Massen für den Fall, dass die heimische Therme im Winter wegen Gasmangel kalt bleibt.

Sollten alle Deutschen ihre stromfressenden Heizungen dann gleichzeitig einschalten, könnte die unvorhergesehene Last das Stromnetz tatsächlich zum Kippen bringen. Aber keine Sorge: Auch dieser Stromausfall bliebe lokal begrenzt und würde nicht das ganze Land in den Abgrund reißen. Um den Strom wieder anzubekommen, müssten die Heizlüfter aber ausgeknipst werden – sonst bleibt die Sicherung im Trafokasten um die Ecke nicht drin. Aber das kann den Weltuntergangsfantasten egal sein. Sie sind schließlich vorbereitet.

Mehr: Schlimmstes Szenario: 72 Stunden Stromausfall – So soll ein Blackout im Winter verhindert werden

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