Kommentar: Der Industriestrompreis ist eine Mogelpackung

Wer durch das Abschlussdokument des Koalitionsausschusses vom Donnerstag blättert, gerät schon in Zeile 10 ins Staunen. Dort loben sich die Spitzen der Koalition für eine „nachhaltige Energiepreissenkung“. Aufgezählt werden die bereits beschlossenen Maßnahmen: Abschaffung der Gasspeicherumlage, Reduzierung der Netzentgelte, Senkung der Stromsteuer.
Zwar sind all diese Schritte hilfreich und gut, aber nachhaltig sind sie nun gerade nicht. Denn sie überdecken lediglich die Probleme eines Systems, das unerträglich hohe Strompreise produziert.
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Der Industriestrompreis, dessen Einführung die Koalitionsspitzen als eines der wichtigsten Ergebnisse ihres jüngsten Treffens herausstreichen, reiht sich da nahtlos ein. Der „Zielpreis“ solle bei fünf Cent je Kilowattstunde liegen, heißt es in dem Papier des Treffens. Das ist allerdings missverständlich. Denn die Reduktion auf fünf Cent darf laut EU-Beihilferahmen nur für die Hälfte des Strombezugs gewährt werden.
Außerdem muss die Hälfte der gewährten Subvention in die „nachhaltige Unternehmenstransformation“ gesteckt werden. Das Geld steht also nicht zur Verfügung, um kurzfristig die Kosten zu drücken. Nichts deutet darauf hin, dass die EU-Kommission von diesen Vorgaben abrückt.
Der Industriestrompreis ist nicht billlig
So bleibt der Industriestrompreis ein unzulängliches Instrument. Der Industriestrompreis wird das Sterben vieler Unternehmen nicht verhindern, aber das Dahinsiechen verlängern. Billig ist der Industriestrompreis allerdings nicht: Er wird über die Laufzeit von drei Jahren einen mittleren einstelligen Milliardenbetrag verschlingen.
Über ähnliche Größenordnungen wird man reden müssen, wenn die Koalition ihre Ankündigung wahrmacht, die seit Jahren bestehende Strompreiskompensation auszuweiten. Sie gleicht einen Teil der Kosten aus, die dadurch entstehen, dass der Emissionshandel den Strompreis erhöht.
Das System muss effizienter werden
Zu all den Entlastungsmaßnahmen muss man auch die Übernahme der Kosten für die Förderung erneuerbarer Energien nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) durch den Bund zählen.
Addiert man alle Entlastungen bei den Stromkosten zusammen, landet man bei einem mittleren zweistelligen Milliardenbetrag, die der Bund Jahr für Jahr aufbringen muss. Auf Dauer dürfte das kaum durchzuhalten sein.
Umso wichtiger wäre es, das System insgesamt effizienter zu machen und die Kosten zu senken. Dazu gehört es, den Ausbau der Erneuerbaren stärker mit dem Netzausbau zu verzahnen, die Digitalisierung entschlossen voranzutreiben und Flexibilität beim Strombezug zu honorieren. Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) wird in den kommenden Monaten gut zu tun haben, wenn sie auch nur einen Teil dieser Maßnahmen verwirklichen will.