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KommentarDas stille Scheitern des Robert H.

Die lautstarken Proteste der Bauern zeigen Wirkung, die Politik dreht bei. Der industrielle Mittelstand dagegen stirbt schleichend, und niemanden interessiert’s.Klaus Stratmann 12.01.2024 - 14:30 Uhr
ARCHIV - 27.09.2023, Berlin: Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen), Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, aufgenommen vor Beginn der Sitzung des Bundeskabinetts im Kanzleramt. Wütende Bauern haben Vizekanzler Habeck in Schlüttsiel in Schleswig-Holstein am Verlassen einer Fähre gehindert. (RECROP) (zu dpa: "Bauern hindern Minister Habeck am Verlassen einer Fähre") Foto: Michael Kappeler/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ Foto: dpa

Als sich die Ampelkoalitionäre im November vergangenen Jahres auf ein Strompreispaket zur Entlastung der Industrie verständigt hatten, gab es noch verhaltenen Beifall. Mit etwas gutem Willen konnte man der Bundesregierung zugutehalten, dass sie Zehntausenden Unternehmen eine kleine Entlastung und zusätzlich einigen Hundert Unternehmen mit besonders hohem Stromverbrauch etwas mehr Verlässlichkeit beschert hatte.

Das war zwar weit von den Plänen entfernt, die Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) im Mai 2023 präsentiert hatte, und insofern ein Misserfolg Habecks. Aber es war etwas mehr als nichts. Und das ist in diesen schwierigen Zeiten ja bereits bemerkenswert.

Doch mit den Sparbeschlüssen, die das Bundesverfassungsgericht erzwungen hat, löst sich selbst dieser kleine Erfolg in Luft auf. Zumindest von der Entlastung in der Breite, also der Reduzierung der Stromsteuer auf das europarechtlich zulässige Mindestmaß für das gesamte produzierende Gewerbe, bleibt nichts mehr übrig.

Der Grund: Die Bundesregierung sah sich gezwungen, den ursprünglich geplanten Zuschuss zur Dämpfung der Stromnetzentgelte in Höhe von 5,5 Milliarden Euro zu streichen. Die zwangsläufige Konsequenz ließ nicht lange auf sich warten: Die Betreiber der Stromübertragungsnetze kündigten Mitte Dezember an, ihre Netzentgelte zum Jahreswechsel zu verdoppeln.

Seit Jahresbeginn können die Kunden ablesen, wie sich das auf ihre Stromrechnung auswirkt. Doch was sich im Fall von Haushaltskunden in Form einer Erhöhung des Preises um ein paar Dutzend Euro pro Jahr auswirkt und in vielen Fällen mit einem Achselzucken zur Kenntnis genommen wird, schlägt sich bei einem industriellen Mittelständler leicht mit mehreren Hunderttausend Euro nieder. Das ist mitunter ein erheblicher Teil des Jahresgewinns.

Es wird keinen großen Knall geben. Es geht vielmehr um einen schleichenden Tod.

Um wen geht es hier? Es geht um viele Zehntausend industrielle Mittelständler, um Metall- und Stahlverarbeiter, um Gießereien, Verzinker, um die Hersteller technischer Keramik, also etwa Isolatoren, um Kunststoffverarbeiter und viele andere mehr. Die meisten von ihnen stehen im internationalen Wettbewerb, ihre Margen sind schmal. Sie müssen gegen Unternehmen aus Ländern antreten, in denen der Strompreis deutlich niedriger ist, weil er nicht wie in Deutschland mit Abgaben oder Umlagen belastet ist oder weil er schlicht brutal herabsubventioniert wird.

Die hohen Energiekosten sind existenzgefährdend

Viele dieser Unternehmen liefern die Hightech-Komponenten, die für das Gelingen der Transformation zur Klimaneutralität unverzichtbar sind. Was die Unternehmen verbindet, ist der Umstand, dass ihre Herstellungsprozesse mit hohem Energieeinsatz einhergehen. Das ist in Deutschland seit Jahren ein Problem. Spätestens aber mit der Energiepreis- und Energieversorgungskrise der vergangenen zwei Jahre ist es existenzgefährdend.

Die energieintensive Industrie investiert in Deutschland schon seit Jahren weniger, als sie abschreibt. Sie zehrt also ihre Substanz auf. Dieser Prozess wird sich nun beschleunigen.

Viele Unternehmen werden sterben. Es wird keinen großen Knall geben. Autobahnblockaden oder Großdemos mit Traktoren vor dem Brandenburger Tor sind nicht zu befürchten. Es geht vielmehr um einen schleichenden Tod. Hier eine leer stehende Werkshalle, dort ein paar Dutzend gestrichene Stellen, dazu noch die eine oder andere Betriebsaufgabe. Das vollzieht sich breit gestreut und unauffällig in der Fläche.

Der Netzausbau wird dreistellige Milliardenbeträge kosten

Einen erheblichen Anteil an der Entwicklung trägt die Politik. Seit vielen Jahren bürdet sie den Unternehmen Lasten auf, um die Energiewende zu finanzieren. Das war über 20 Jahre so mit der Umlage nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), die mittlerweile aus dem Klima- und Transformationsfonds finanziert wird. Und es ist weiterhin so mit einer Reihe von Posten, die den Strompreis erhöhen.

Die Netzentgelte sind der beste Beleg dafür. Die Energiewende macht einen gigantischen Ausbau der Stromnetzinfrastruktur erforderlich. Der Netzausbau gilt als eine der zentralen Bedingungen für das Gelingen des Mega-Projektes. In den kommenden Jahren werden dreistellige Milliardenbeträge allein für den Netzausbau fällig werden. Ist das nicht ebenso wie der Ausbau der Erneuerbaren eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die man nicht über den Strompreis finanzieren sollte?

Das Energiekostenproblem ist nicht gottgegeben, sondern Folge politischer Entscheidungen

Diese Frage muss man auch in einem anderen Zusammenhang stellen. Es ist unter Klimaschutzaspekten sinnvoll, Kohlekraftwerke schnell abzuschalten. Und es gibt natürlich auch gute Argumente dafür, aus der Atomkraft auszusteigen. Es darf aber niemanden überraschen, dass diese von der Politik beschlossenen Verknappungen des Stromangebots zu steigenden Strompreisen führen. Diese Folgen politischer Entscheidungen kann man nicht einfach bei den Hauptbetroffenen, also bei großen Stromverbrauchern, abladen.

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Das deutsche Energiekostenproblem ist nicht gottgegeben. Es ist nicht die zwangsläufige Folge grundsätzlicher, unabänderlicher Standortnachteile. Es ist vielmehr die Folge politischer Entscheidungen. Das wird mit der aktuellen Entwicklung bei den Netzentgelten deutlich.

Eine fest zugesagte Kostendämpfung wird völlig überraschend gestrichen. Für die fatalen Folgen fühlt sich der Wirtschaftsminister nicht zuständig. Habeck scheitert lieber still und unauffällig. Es ist bemerkenswert, dass man ihm das durchgehen lässt.

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