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KommentarDas Stromnetzen-Versagen ist symptomatisch für die Energiewende

Ohne funktionierende Netze ist bei der Energiewende alles nichts. Doch der Umbau des Stromversorgungssystems stößt an Grenzen – und zwar an zwei entscheidenden Stellen.Klaus Stratmann 26.04.2024 - 11:55 Uhr
Nur mit einem gut funktionierenden Netz kann man die zunehmend volatile Stromerzeugung effizient managen. Foto: Jan Woitas/dpa

Die Herausforderungen, die der bevorstehende Ausbau der Stromnetze mit sich bringt, lassen sich gut mit einer Zahl illustrieren: 500 Milliarden Euro. Das ist der Betrag, den die Betreiber der Stromübertragungsnetze und der Stromverteilnetze in den kommenden beiden Jahrzehnten aufbringen müssen, um ihre Netze fit zu machen für die Energiewende.

500 Milliarden Euro sind eine Menge Geld. Der Betrag übersteigt beispielsweise die im Bundeshaushalt 2024 veranschlagten Ausgaben deutlich, und es gehört nicht viel Mut zu der Prognose, dass die 500 Milliarden Euro am Ende gar nicht ausreichen werden.

» Lesen Sie auch: „Wir sprechen hier über eine Jahrhundertaufgabe“ – Stromnetz kommt an seine Belastungsgrenze

Die bevorstehenden Ausgaben für den Netzausbau sind ein Indikator für die Schwachstellen der Energiewende. Die Probleme im Netzbereich sind ein Gradmesser für die Widersprüche und Fehler bei der Umsetzung dieses ökonomischen Großvorhabens. Sie werfen zudem grundsätzliche Fragen nach der Finanzierbarkeit der Energiewende und nach der Verteilung der Kosten auf.

Zunächst einmal gilt grundsätzlich: Es ist richtig und wichtig, die Netze auszubauen. Denn nur mit einem gut funktionierenden Netz kann man die zunehmend volatile Stromerzeugung effizient managen. Das gilt für die Stromübertragungsnetze, also die „Stromautobahnen“, ebenso wie für die Verteilnetze, die den Strom auf lokaler Ebene bis zum Hausanschluss transportieren.

Redispatch ist reine Geldvernichtung

Seit Jahren müssen Windparks im Norden Deutschlands abgeschaltet werden, zum Ausgleich werden Kraftwerke im Süden angeworfen, weil es an Netzkapazitäten fehlt, um den Strom von Nord nach Süd zu transportieren. Diesen Vorgang nennt man Redispatch. Es handelt sich um reine Geldvernichtung. Redispatch verschlingt Milliardenbeträge und schadet dem Klima. Die Netze müssen ausgebaut werden, um diesen Missstand zu beseitigen.

Seit Jahren müssen Windparks im Norden Deutschlands abgeschaltet werden. Foto: Jens Büttner/dpa-Zentralbild/dpa

Das Problem ist allerdings, dass die Anforderungen an den Netzausbau ständig nach oben geschraubt werden und die Planungen von heute wenig später schon wieder obsolet sind, weil die Politik die Latte noch etwas höher gelegt hat.

Seit mindestens 15 Jahren ist klar, dass die Netze grundlegend ausgebaut werden müssen. Seitdem hat die Politik das Ambitionsniveau für die Umsetzung der Energiewende und für den Klimaschutz allerdings mehrfach deutlich gesteigert.

Die Politik erhöht immer wieder die Anforderungen an die Netze

Die permanent steigenden Anforderungen stehen im Widerspruch zur Realität beim Netzausbau: Viele Leitungen, die zu Beginn der vergangenen Dekade geplant wurden, existieren nach wie vor nur auf dem Papier. Trotz vieler Versuche, den Ausbau zu beschleunigen und zu erleichtern, hängt er auf allen Ebenen sämtlichen Zeitplänen hinterher.

Nach den jüngsten Gesetzesänderungen bis hin zur Notfallverordnung der EU hört man zwar immer wieder, jetzt gehe es richtig los. Doch mögen auch die meisten Genehmigungshürden beseitigt sein – längst tun sich neue Probleme auf. Lieferkettenengpässe und oligopolistische Anbieterstrukturen bei entscheidenden Netzkomponenten zählen dazu. Und dass viele Bundesländer noch ein paar Sonderwünsche in die Verfahren einschleusen, macht die Dinge nicht einfacher.

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Hinzu kommt, dass die Politik vor Jahren noch eine Hürde aufgebaut hat, die sich heute als schwere Hypothek erweist: Damit Bayern den Widerstand gegen Ausbauvorhaben aufgab, hat die Bundespolitik 2015 die Erdverkabelung von Höchstspannungsleitungen zum gesetzlichen Standard erhoben. Eine technische Herausforderung, die Mehrkosten im zweistelligen Milliardenbereich verursachen wird. Versuche, noch nicht endgültig genehmigte Vorhaben jetzt wieder zu Freileitungen zu deklarieren, erweisen sich als schwierig.

Ungesteuerter Ausbau der Erneuerbaren überfordert die Netze

Schwerer wiegt, dass sich die amtierende Ampel-Koalition an Ausbaurekorden bei den Erneuerbaren berauscht, ohne die Folgen zu bedenken. Mit neuen Höchstwerten beim Photovoltaik-Ausbau ist niemandem gedient, wenn sich die so gewonnenen Strommengen nicht mehr sinnvoll in die Netze integrieren lassen. Diese Belastung betrifft insbesondere die Verteilnetz-Ebene.

Photovoltaik-Anlagen wandeln Sonnenenergie in sauberen elektrischen Strom um. Foto: IMAGO/Daniel Reinhardt

Schließlich rächt sich auch, dass die Politik in Deutschland in den vergangenen Jahren übertrieben zögerlich war, wenn es um die Digitalisierung des Stromversorgungssystems ging. Intelligente Stromzähler sind in Deutschland noch immer eine Rarität, während sie in vielen EU-Staaten längst flächendeckend ausgerollt wurden.

Die Netzentgelte sind schon heute höher, als es die EEG-Umlage jemals war

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Der Ausbau der Netze ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe wie der Ausbau der Erneuerbaren. Aus diesem Grund werden die Kosten für die Erneuerbaren auch nicht mehr per Umlage den Stromverbraucherinnen und Stromverbrauchern aufgebürdet, sondern aus dem Bundeshaushalt finanziert. Und die Netzentgelte? Angesichts der Investitionen, vor denen die Betreiber stehen, sind drastische Anstiege unausweichlich. Schon heute sind die Netzentgelte vielerorts höher als es die EEG-Umlage jemals gewesen ist – und sie werden drastisch steigen.

Eine schlichte Streckung der Kosten, die Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) kürzlich ins Gespräch gebracht hat, mag auf den ersten Blick vernünftig sein. Sie hat aber den Nachteil, die Kosten zu verschleiern. Sie müsste daher damit einhergehen, die Ansprüche an den Netzausbau nicht weiter hochzuschrauben und den Ausbau sinnvoll mit dem Ausbau der Erneuerbaren zu verzahnen.

Erstpublikation: 24.04.2024, 13:45 Uhr.

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