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KommentarDer Flüchtlingsgipfel ist eine große Enttäuschung

Bund und Länder vertagen die Grundsatzentscheidung über Kosten für Geflüchtete. Damit senden sie ein schlechtes Signal an die belasteten Kommunen und treiben Wähler zur AfD.Dietmar Neuerer 11.05.2023 - 08:33 Uhr
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Bei den Kernforderungen ließ der Kanzler die Ministerpräsidenten mehr oder weniger auflaufen.

Foto: IMAGO/Political-Moments

Als Tiger gesprungen, als Bettvorleger gelandet. Die Ministerpräsidenten sind mit viel Tamtam in die Gespräche mit dem Bundeskanzler gegangen, um dem Bund eine stärkere Beteiligung an den Flüchtlingskosten abzuringen.

NRW-Regierungschef Hendrik Wüst (CDU) gab die klare Marschrichtung vor: Teilergebnisse, die keinen Einstieg in dauerhafte Finanzierungszusagen bedeuten würden, wären „kein Ergebnis“ der Bund-Länder-Runde. Doch am Ende kam es genau so.

Dauerhafte Finanzierungszusagen gab es beim Treffen mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nicht, vielmehr wurde eine Grundsatzentscheidung über die Flüchtlingskosten vertagt. Erst im November soll beraten werden, wie das aktuelle System der Flüchtlingsfinanzierung längerfristig weiterentwickelt werden kann.

Das ist eine herbe Enttäuschung. Da hilft es auch nicht, dass der Bund für dieses Jahr zusätzlich eine Milliarde Euro als Flüchtlingspauschale geben will, damit die Länder ihre Kommunen entlasten und die Digitalisierung der Ausländerbehörden vorantreiben können.

Bei den Kernforderungen ließ Scholz die Ministerpräsidenten mehr oder weniger auflaufen. Er machte keinen Hehl daraus, dass es mit ihm ein „atmendes“ Finanzierungssystem nicht geben wird, mit dem die Zahlungen des Bundes flexibel an die Flüchtlingszahlen angepasst werden sollen. Dabei wäre ein solches System, dass sich schon in der Vergangenheit bewährt hat, angesichts der deutlich gestiegenen Flüchtlingszahlen durchaus zielführend. Je mehr Flüchtlinge kämen, desto mehr Geld würde es geben.

Keine Wundermittel

Natürlich wäre eine Begrenzung des Flüchtlingszustroms auch eine Variante. Aber die Vereinbarungen hierzu sind lediglich Hoffnungswerte. Die Bundesregierung will erreichen, dass weniger Menschen ohne Bleiberecht nach Deutschland kommen.

>> Lesen Sie auch: Eine Milliarde Euro zusätzlich – Bund und Länder erreichen Mini-Einigung bei Flüchtlingskosten

Die dafür angestrebten Migrationsabkommen mit den Herkunftsländern sind aber kein Wundermittel. Ohne konkrete Anreize werden die Länder abgelehnte Asylbewerber nicht zurücknehmen. So etwas muss verhandelt werden und bringt daher keine schnelle Lösung für die akuten Probleme in Deutschland.

Insofern ist es richtig bitter, dass die Kommunen beim Flüchtlingsgipfel quasi leer ausgegangen sind. Die vom Bund zugesagte zusätzliche Milliarde dürfte zwar erst einmal eine spürbare Entlastung bringen, sie bleibt jedoch eine Einmalzahlung.

Davon können sich die Gemeinden im wahrsten Wortsinn nichts kaufen. Und das, obwohl sie die Hauptlast des Flüchtlingsaufkommens tragen. Neben den ukrainischen Kriegsflüchtlingen müssen sie auch Schutzsuchende aus anderen Ländern versorgen. Vielerorts fehlen dafür aber bezahlbarer Wohnraum, Kitaplätze und Lehrkräfte für Deutschkurse.

Das Geld für die Versorgung müssen die Gemeinden aus ihren Haushalten bestreiten. Viele können das aber im Grunde schon jetzt nicht mehr.

Kommunale Daseinsvorsorge muss erfüllt werden

Die Kommunen leiden unter den stark steigenden Energiekosten. Hinzu kommen Inflation und deutliche Lohnsteigerungen im öffentlichen Dienst, wodurch sich ihre Finanzlage weiter verschärfen könnte. Und auch die Finanzzuweisungen der Länder an die Kommunen dürften eher sinken als steigen, weil auch die Länder sparen müssen.

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Trotzdem sperrt sich der Bund bei der gewünschten vollständigen Übernahme der Kosten für die Unterkunft der Flüchtlinge. Offen geblieben sind beim Gipfel im Kanzleramt auch die Fragen nach einer höheren Kostenbeteiligung für Integration und minderjährige Flüchtlinge. Fakt ist aber: Wenn sich hier nicht absehbar etwas ändert, werden die Folgen gravierend sein.

Spätestens wenn die Kommunen die Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger an die kommunale Daseinsvorsorge – etwa mehr Kitaplätze, bessere Schulen oder ein günstigerer öffentlicher Personennahverkehr – nicht erfüllen können, wird das womöglich einen Effekt haben, den wirklich niemand möchte: Der politische rechte Rand wird profitieren und der AfD in Umfragen einen weiteren Push nach oben bescheren.

Mehr: Asyl-Wende der Bundesregierung – Faeser fordert Schnellverfahren an der EU-Außengrenze

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