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  4. Weißrussland: Nach Skandal um Olympia-Sprinterin - wenn Kritik als Verrat gilt

KommentarDer Skandal um die Olympia-Athletin offenbart erneut das Wesen der weißrussischen Diktatur

Kritik an Präsident Lukaschenko und dem System gelten als Verrat. Das hat nun auch Kristina Timanowskaja zu spüren bekommen. Ihre Bitte um Asyl ist nur konsequent.André Ballin 02.08.2021 - 16:56 Uhr Artikel anhören

Der Langzeitpräsident Weißrusslands geht hart gegen Regierungskritiker vor.

Foto: dpa

Es ist der neueste Beweis einer altbekannten Tatsache: Alexander Lukaschenko, Langzeitpräsident in der ehemaligen Sowjetrepublik Weißrussland, ist nicht nur Autokrat, sondern Diktator. Sein Wort ist Gesetz, Kritik an ihm oder dem System gelten als Verrat.

Das hat nun auch die weißrussische Olympia-Teilnehmerin Kristina Timanowskaja zu spüren bekommen. Weil sie sich zu lautstark über Bevormundung aus dem Verband aufregte, der sie ungefragt für ein Staffelrennen in einer Disziplin einteilte, die sie nie im Wettkampf gelaufen ist, wurde sie gegen ihren Willen und vor ihrem geplanten 200-Meter-Lauf in Tokio nach Minsk zurückbeordert.

Zugleich startete in der Heimat eine wahre Hetzkampagne gegen die 24-Jährige. Im weißrussischen Fernsehen warfen die Kommentatoren ihr unsportliches und unpatriotisches Verhalten vor. Einige mutmaßten gar, die Sprinterin habe selbst den Eklat herbeigeführt, um sich bei „ihren westlichen Auftraggebern“ anzubiedern.

Diese Art der Kollektivverurteilung erinnert an die Kampagne gegen den Schriftsteller Boris Pasternak, als dieser für den Roman „Doktor Schiwago“ 1958 den Nobelpreis für Literatur erhielt. Schriftstellerkollegen wie Wladimir Semitschastny verglichen Pasternak daraufhin mit einem Schwein, andere forderten den Ausschluss aus dem Schriftstellerverband und sogar den Entzug der Staatsbürgerschaft wegen seines angeblichen „Antisowjetismus“.

In den sowjetischen Zeitungen herrschte „Wut und Empörung“. Angebliche Leserbriefe wurden abgedruckt, die Pasternak des Vaterlandsverrats und der Nestbeschmutzung beschuldigten. Gut 60 Jahre später funktioniert in Minsk auch nach dem Untergang der Sowjetunion das Prinzip der Kollektivverurteilung immer noch tadellos.

Timanowskajas Bitte um Asyl ist richtig

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Timanowskaja wusste, dass sie bei ihrer Rückkehr Repressalien zu befürchten hatte. Seit der Präsidentschaftswahl im vergangenen Sommer, als Hunderttausende gegen den offensichtlichen Betrug auf die Straße gingen, hat Lukaschenko alle Masken fallen lassen. Demonstranten werden in Schnellprozessen abgeurteilt, unliebsame Journalisten bedroht, die wenigen noch verbliebenen unabhängigen Medien vernichtet.

Timanowskajas Bitte um Asyl in der EU ist daher logisch und konsequent. Sie sollte bei ihrer Ausreise nach Polen nur darauf achten, dass sie sich in einen Flieger setzt, der weißrussisches Gebiet umfliegt. Denn erst Ende Mai zwangen die Behörden eine Ryanair-Maschine zu einer Zwischenlandung in Minsk, um den Blogger und Regierungskritiker Roman Protasewitsch festzunehmen.

Mehr: Entführung durch die eigene Regierung? Weißrussische Olympia-Athletin erhält polnisches Visum

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