Kommentar: Der Stahlgipfel droht zu einem sinnlosen Ritual zu verkommen

SPD-Chef Lars Klingbeil fordert einen Stahlgipfel. Klingt nach großem Aufschlag, ist aber in Wahrheit nur die Wiederholung eines alten Rituals. Treffen, bei denen Politik und Industrie zusammensitzen, gab es schon viele. Das Fazit war immer gleich: viel Verständnis, viele Versprechen, aber keine spürbaren Ergebnisse.
Nur weil man die Probleme der Stahlindustrie zum wiederholten Mal in Berlin erörtert, sind sie nicht neu. Seit Jahren klagt die Branche: Strom ist in Deutschland teurer als fast überall auf der Welt. Netzentgelte belasten insbesondere energieintensive Unternehmen.
Dazu kommen Dumpingimporte aus Asien, die mit staatlichen Subventionen im Rücken den europäischen Markt überschwemmen. Und eine Klimapolitik, die zwar das Ziel der Klimaneutralität bis 2045 vorgibt, den Weg dorthin jedoch mit hohen Kosten und regulatorischer Unsicherheit pflastert.
Symbolpolitik rettet keine Arbeitsplätze
Selbstverständlich ist der Dialog zwischen Politik und Industrie wichtig. Solange er jedoch nicht in verbindliche Schritte mündet, bleibt er reine Symbolik. Und Symbolpolitik allein rettet keine Arbeitsplätze. 85.000 Beschäftigte in der deutschen Stahlindustrie blicken heute einer unsicheren Zukunft entgegen. Jeder weitere Gipfel ohne Ergebnis verschärft ihre Sorgen.
Der wohl größte Hebel liegt bei den Energiekosten. Kaum eine Branche verbraucht so viel Strom wie die Stahlindustrie, und kaum ein Standort in Europa verlangt von seinen Produzenten höhere Preise als Deutschland.
Während Konkurrenten in Frankreich oder Schweden von niedrigen Netzentgelten oder günstiger Wasserkraft profitieren, schlagen hierzulande die hohen Stromkosten zu Buche. Wer eine klimaneutrale Zukunft für die Stahlwerke ernsthaft will, muss genau hier ansetzen. Denn grüner Stahl lässt sich nur mit grünem und zugleich bezahlbarem Strom produzieren.
Gleichzeitig wächst der Druck von außen. China und Indien haben ihre Stahlproduktion massiv ausgeweitet – oft ohne Rücksicht auf Umweltstandards. Ohne einen wirksamen Schutzmechanismus laufen deutsche Produzenten Gefahr, im Preiskampf unterzugehen.
Deutschland kann es sich nicht leisten, eine Schlüsselbranche schleichend zu verlieren. Fällt die Grundstoffindustrie Stahl, hat das Folgen für Autohersteller, Maschinenbauer und die Bauwirtschaft – also für das industrielle Herz des Landes.
Deshalb braucht es keinen weiteren Fototermin im Kanzleramt, sondern sofort wirksame Entscheidungen. Einen verlässlichen Industriestrompreis. Einen klaren Schutz vor unfairen Importen. Eine schnelle Entlastung bei Netzentgelten. Und eine langfristige Strategie für grünen Stahl, die über einen reinen Förderbescheid hinausgeht.