Kommentar: Die CDU steht am Anfang einer neuen Zeit
Delegierte halten beim Bundesparteitag der CDU ihre Stimmkarten hoch.
Foto: dpaBerlin. Die CDU lebt, zumindest in ihren ideologischen Gräben. Auf dem ersten Parteitag in der Opposition duellierten sich die Parteilager anders als 2018 und 2020 nicht wegen einer Kampfabstimmung um den Parteivorsitz. Diese Schlachten hat Friedrich Merz gewonnen – und seine Position mit einer guten Rede in diesem Jahr gefestigt.
Nein, dieses Mal ging es um die emotional aufgeladene Frauenquote, mit der die Partei ab 2025 Ämter paritätisch besetzen will. Die Frauen-Union obsiegte knapp gegen Junge Union und Mittelstandsunion, die nun die Einführung einer Frauenquote hinnehmen müssen. Wer dachte, die Kombattanten würden sich danach die Hand geben, sah sich getäuscht: Von „Betrug“ war die Rede, einige sprachen von Parteiaustritt.
Einst war es das Markenzeichen der Union, zwar heftig zu streiten, sich dann aber zu einigen und gemeinsam zu kämpfen. Die Partei will schließlich regieren und sich nicht mit sich selbst beschäftigen.
In Hannover war vom Wir-Gefühl wenig zu spüren. Die Partei steht am Anfang einer neuen Zeit. Dies offenbarte sich in der Diskussion um ein neues Grundsatzprogramm.
„Wir waren und wir werden wieder die deutsche Volkspartei“, sagte der Leiter der Grundwertekommission den Delegierten. Zwischen „waren“ und „werden“ steht die Gegenwart. Im Hier und Jetzt muss sich die CDU als Volkspartei neu erfinden – inhaltlich wie strukturell.
Inhalte und Strukturen der Partei bedingen sich gegenseitig
Inhalte und Struktur hängen unweigerlich zusammen. Mit Inhalten überzeugt eine Partei die Menschen davon, dass sie die besseren Konzepte für die Zukunft präsentiert. Meinungsführer wird die CDU aber nur, wenn sie offen für die Gesellschaft ist und Mitglieder und Mandatsträger das Ohr am Puls der Zeit haben, in Vereinen und Organisationen. Am besten sind sie gleich selbst Teil dieser Gruppen, Männer wie Frauen. Das macht eine Partei zum Transmissionsriemen gesellschaftlicher Interessen.
Es ist mühsam, wieder einig und damit Volkspartei zu werden. Vorher gilt es, um die richtigen Worte zu ringen. Soll es in den Grundwerten „bürgerlich“ heißen oder doch lieber „christlich-demokratisch“? Sind Gleichstellung und Gleichberechtigung dasselbe, unterscheiden oder ergänzen sie sich?
All das quält, kostet Kraft – und Zeit. Die Krisen der Welt und die Schwäche der Regierung mögen bei manchem Unionisten schon die Hoffnung wecken, bald wieder zu regieren. Doch muss sich die CDU dringend die Zeit nehmen, sich zu quälen, sich zu formen und einen Kompass zu geben. Nur eine Partei, die ihren Weg kennt, kann auch andere mit auf den Weg nehmen.