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KommentarDie Cum-Ex-Aufarbeitung ist ein Armutszeugnis für den Rechtsstaat

Trotz hoher Milliardenschäden dauern die Cum-Ex-Ermittlungen Jahrzehnte. Jedes verstreichende Jahr freut die Beschuldigten. Das ist Gift für das Vertrauen in die Justiz.Volker Votsmeier 10.03.2023 - 14:51 Uhr
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Der Steueranwalt wurde zu nur acht Jahren Haft verurteilt, statt der Höchststrafe von 15 Jahren – weil der Staat zu langsam ist.

Foto: dpa

Wir schreiben das Jahr 2038. Die Staatsanwaltschaft Köln schließt ihre letzte Cum-Ex-Akte. 25 Jahre sind seit dem Beginn der Ermittlungen im größten Steuerskandal der Republik vergangen. Die Taten liegen teils 33 Jahre zurück.

Dieses Szenario ist kein Fiebertraum eines Angeklagten, sondern offizielle Erwartungshaltung der Justiz. Nordrhein-Westfalens Justizminister Benjamin Limbach hat gerade mitgeteilt, dass die Staatsanwaltschaft für ihre 117 Verfahren noch 15 Jahre veranschlagt. 90 Prozent der Cum-Ex-Verfahren liegen in Köln.

Die große Zeitspanne ist ein Armutszeugnis. Viele Jahre ließen sich Banken und Investoren Milliarden von Steuern erstatten, die sie nicht gezahlt hatten. Die teuersten Wirtschaftsprüfer und Steueranwälte halfen mit. Cum-Ex war organisierte Kriminalität auf ihrer höchsten Entwicklungsstufe.

Daran gibt es keine juristischen Zweifel. Der Bundesgerichtshof, der Bundesfinanzhof und das Bundesverfassungsgericht haben Cum-Ex-Geschäfte allesamt als illegal verurteilt. Alle Strafverfahren endeten in Schuldsprüchen. Alle überprüften Urteile wurden vom Bundesgerichtshof bestätigt.

Doch schon das jüngste Urteil zeigt das grundlegende Problem. Im Dezember verurteilte das Landgericht Bonn den einstigen Staranwalt Hanno Berger wegen einer Steuerhinterziehung von 278 Millionen Euro.

Verschleppte Ermittlungen

Das ist mehr als das 5000-Fache dessen, was als „schwere Steuerhinterziehung“ gilt: 50.000 Euro. Trotzdem erhielt Berger nicht die Höchststrafe von 15 Jahren Gefängnis, sondern acht.

Ein Grund: Die lange Zeit zwischen Tat und Urteil. Die meisten Verfahren untersuchen Taten zwischen 2005 und 2011.

In Stuttgart gibt es ein Verfahren gegen die Landesbank LBBW. Der Steuerschaden beträgt 150 Millionen Euro. Seit etwa zehn Jahren ermittelt im Wesentlichen ein einziger Staatsanwalt. Ähnlich sieht es in München aus. In Hamburg wollte die Staatsanwaltschaft gar nicht erst mit der Arbeit beginnen.

Gearbeitet wird hauptsächlich in Köln und Frankfurt. Nun beklagt ausgerechnet der ehemalige NRW-Justizminister, dass die Leitung der Kölner Staatsanwaltschaft ihre Ermittler nicht unterstützt oder sogar behindert. Stellen bleiben unbesetzt.

>> Lesen Sie dazu: Justizeklat in Deutschlands größtem Steuerskandal – Ex-Minister attackiert Staatsanwaltschaft

Jedes verstreichende Jahr freut die Beschuldigten. Wenn ein Richter dann in fünf, zehn oder 15 Jahren einen Angeklagten nach Details fragt, ist seine Antwort absehbar: Sie können sich nicht mehr erinnern. Man müsste es ihm sogar glauben.

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Es ist eine Schande, dass der Staat nicht alles dafür tut, in dem Milliardenskandal schneller zu ermitteln. Ein Scheitern der Aufklärung hilft nicht nur den Beschuldigten. Es untergräbt auch das Vertrauen der Bürger in den Rechtsstaat. Das ist schon brüchig genug.

Mehr: Warum ein ehemaliger Justizminister die Chefs der Kölner Staatsanwaltschaft attackiert

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