Kommentar: Die große Ernüchterung – der sichere Job war gestern

Es klingt fast beiläufig, hat aber politische Sprengkraft: Der Arbeitsmarkt sei „seit Monaten wie ein Brett“, sagt Andrea Nahles zum Jahreswechsel. Kein Schwung, keine Dynamik. Und mehr noch: Es gebe aktuell keine Arbeitnehmergruppe, die vor Jobverlust gefeit sei. Mit diesem Satz räumt die Chefin der Bundesagentur für Arbeit mit einer der letzten Gewissheiten auf, an die sich die Deutschen geklammert haben.
Der eigene Job galt angesichts des Fachkräftemangels als sichere Bank. Noch 2022 meldeten Unternehmen mehr als zwei Millionen offene Stellen. Selbst diese Illusion bröckelt nun. Und zwar generationenübergreifend. Der demografische Wandel arbeitet nicht mehr für die Jungen. Vor allem für Jobeinsteiger seien die Aussichten derzeit schlecht, sagt Nahles.
Vielleicht liegt in dieser schlechten Nachricht zum Jahreswechsel aber auch eine Chance. Ein überfälliges Signal. Denn während Industrie, Mittelstand und Konzerne seit Jahren unter Druck stehen, hat sich die gesellschaftliche Debatte erstaunlich weit von der ökonomischen Realität entfernt. Sinnsuche, Selbstverwirklichung und Work-Life-Balance dominierten den Ton. Unbequeme Wahrheiten galten schnell als rückwärtsgewandt oder herzlos. Doch Realität lässt sich nicht wegmoderieren.