Kommentar: Die Republikaner sind diverser als Bidens Demokraten – zumindest im Wahlkampf


Der Senator wuchs in Armut auf und ist ein Verfechter des Prinzips Aufstieg durch Leistung.
Ausgerechnet die US-Republikaner machen den aktuellen Präsidentschaftswahlkampf zu einem der vielfältigsten aller Zeiten. Zwar haben Amerikas Konservative eine überwiegend weiße Stammwählerschaft. Doch gegen den 80-jährigen Amtsinhaber Joe Biden sehen viele Präsidentschaftsbewerber der Konkurrenz energisch, jung und divers aus.
So sind von den derzeit zehn Kandidaten, die um die Nominierung der Republikaner buhlen, zwei indischer Abstammung: die frühere UN-Botschafterin Nikki Haley, „stolze Tochter indischer Einwanderer“, und der Biotech-Unternehmer Vivek Ramaswamy, mit 38 Jahren dazu noch der erste Millennial im Rennen um das Weiße Haus.
Ebenfalls eingestiegen sind zwei schwarze Politiker. Der Senator Tim Scott wuchs in Armut auf und glaubt deshalb erst recht an das Prinzip Aufstieg durch Leistung. „Die Opferrolle ist das Gift unserer Gesellschaft“, sagt er. Und der Radiomoderator Larry Elder spricht im Wahlkampf eindringlich über die soziale Kluft in den USA – und darüber, warum Sozialprogramme die falsche Antwort darauf seien.
Diese Kandidaten zeigen eine Seite des republikanischen Amerikas jenseits des Donald-Trump-Wahnsinns, die zu selten beleuchtet wird. Denn in den Kulturkämpfen um Rassismus, Diskriminierung und ethnische Identitäten verlaufen die Trennlinien nicht immer eindeutig. Und allein die Existenz dieser republikanischen Bewerber ist ein wunder Punkt für Bidens Partei.
Die Demokraten beanspruchen für sich, die politische Heimat für alle Benachteiligten zu sein, ob wegen ihres Geschlechts, ihrer Ethnie, Sexualität oder sozialen Herkunft. Seit der Bürgerrechtsbewegung der 60er-Jahre konnten sich Amerikas Linke darauf verlassen, dass zum Beispiel African Americans und hispanische Wähler ihr Kreuz bei ihnen machen. Doch dieses Selbstverständnis gerät zunehmend ins Wanken, seit einigen Jahren wildern die Republikaner im Revier der Demokraten und verzeichnen Zuwächse unter Schwarzen und Latinos.
Selbstverständnis der Linken gerät ins Wanken
Für die konservative Partei geht es dabei vor allem ums Überleben: Denn nur, wenn sie für eine breite Koalition von Wählern attraktiv sind, können sie wieder mehrheitsfähig werden. In den Trump-Jahren vergraulten die Republikaner viele Moderate und Unabhängige, doch gleichzeitig erschlossen sie neue Wählergruppen. Einige Botschaften gegen Abtreibung und illegale Einwanderung oder für niedrige Steuern mobilisieren überall, nicht nur unter weißen Männern.

Die frühere UN-Botschafterin bewirbt sich selbst als „stolze Tochter indischer Einwanderer“.
Natürlich werden die Republikaner nicht über Nacht die neue Partei der Vielfalt. Die meisten der „Person of Color“-Bewerber in diesem Wahlkampf gelten als Außenseiter. Stattdessen verehren Teile der Parteibasis Donald Trump, der afrikanische Länder einst als „shithole countries“ bezeichnet haben soll und seine Flüchtlingsmauer fertigbauen möchte.
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Tatsache ist aber auch, dass die Demokraten zu häufig an ihren eigenen Ansprüchen scheitern und Anhänger enttäuschen. Bestes Beispiel dafür sind die steigenden Kriminalitäts- und Obdachlosenraten in demokratisch regierten US-Metropolen. Entwicklungen wie diese bieten das Potenzial für politische Verschiebungen.




Gerade deshalb sollte man zuhören, was der diverse Konservatismus der USA zu sagen hat. Verraten Republikaner wie Ramaswamy, Hailey, Scott und Elder ihre Herkunft, ihre Identität oder ihr Geschlecht, weil sie in der vermeintlich „falschen“ Partei sind? Das wäre eine arrogante Schlussfolgerung.
Man muss ihre Ansichten nicht teilen. Aber ihre Lebensgeschichten und exponierten Rollen in der Republikanischen Partei beweisen: In der Debatte um gesellschaftliche Gerechtigkeit ist nicht alles Schwarz oder Weiß, im wahrsten Sinne des Wortes.
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