Kommentar: Die Schutzmaske ist zum Symbol eines ideologischen Streits geworden
Wenn die Maske auch hierzulande zum Politikum wird, droht uns eine Polarisierung der Gesellschaft wie in den USA.
Foto: dpaBerlin. Von unwirksam zu unverzichtbar – und jetzt wieder zurück? Die Gesichtsmaske droht nun auch in Deutschland zum Symbol der politischen Auseinandersetzung über den richtigen Umgang mit der anhaltenden Pandemie zu werden.
Viele Teilnehmer der Anti-Corona-Demo in Berlin trugen demonstrativ keinen Mund-Nasen-Schutz, weil sie das als überzogene Einschränkung ihrer Freiheit betrachten. Im öffentlichen Nahverkehr wird die Maskenpflicht vielerorts so wenig ernst genommen, dass Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen jetzt 150 Euro Sofortstrafe von Maskenmuffeln einkassieren wollen. Und in Supermärkten und Restaurants sorgt der Streit um die Maske gar für Schlägereien.
Ein völliges Maskenchaos herrscht an Deutschlands Schulen: In NRW gilt eine strenge Maskenpflicht für Schüler. Andere Bundesländer wie Bayern verordnen dagegen eine „Maskenpflicht light“ – Maske in den Pausen, aber nicht im Unterricht. Oder nur, wenn die Abstände nicht eingehalten werden können.
„Gib jemandem eine Maske, und er sagt dir die Wahrheit“, hat der Schriftsteller Oscar Wilde einmal gesagt. Im Maskenstreit geht es jedoch nicht um endgültige Wahrheiten und Werte, sondern darum, mit unserem immer noch begrenzten Wissen über das Coronavirus das Bestmögliche zu tun, um andere und uns selbst in der Pandemie zu schützen.
Soweit wir von Medizinern wissen, können Masken dazu beitragen, die Ansteckungsgefahr zu verringern. Solange das so ist und solange es noch keinen besseren Schutz oder Impfstoff gibt, ist das Tragen einer Maske das Mindeste, was jeder tun kann und sollte, um die Pandemie einzudämmen.
Die Spanische Grippe als Warnung
Wenn jedoch die Maske auch hierzulande zu einem politischen Fanal für Freiheitskämpfer auf der einen und Bedenkenträger auf der anderen Seite wird, droht uns eine Polarisierung der Gesellschaft wie in den USA.
Dort ist der politische Diskurs über die richtigen Mittel gegen das Coronavirus längst zu einem ideologischen Glaubenskrieg entartet. In einer Gesellschaft, in der das Tragen einer Gesichtsmaske zum Politikum erhoben wird, sind auch andere Erkenntnisse der Wissenschaft eine Frage des Glaubens oder der politischen Überzeugung.
Noch sind wir von diesen amerikanischen Verhältnissen weit entfernt. Die deutsche Politik wäre aber gut beraten, die Maske so schnell wie möglich aus den Untiefen einer fehlgeleiten Freiheitsdebatte zu holen.
Andernfalls könnte sich die Geschichte wiederholen: Auch während der Spanischen Grippe 1918 wurde die Maske in Amerika zum Symbol staatlicher Überreaktion. Ähnlich wie heute gab es Proteste. Menschen weigerten sich, dem Rat der Ärzte zu folgen und eine Gesichtsmaske zu tragen.
Das Ergebnis sollte uns eine Warnung sein: An der Spanischen Grippe starben weltweit schätzungsweise bis zu 50 Millionen Menschen. Das waren mehr als im Ersten Weltkrieg.