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Kommentar Die wundersame Wirkung des Chipmangels: Die Autokonzerne streben nun endlich nach Effizienz

Der Chipmangel in der Automobilindustrie wirkt letztlich positiv: Er zwingt die Hersteller, endlich nachhaltiger zu produzieren.
05.08.2021 - 17:16 Uhr Kommentieren
VW-Produktion im Stammwerk Wolfsburg: Die Zahl der produzierten Autos geht zwar zurück, doch die Erträge sind trotzdem hoch. Quelle: Reuters
Weniger Autos, aber mehr Effizienz

VW-Produktion im Stammwerk Wolfsburg: Die Zahl der produzierten Autos geht zwar zurück, doch die Erträge sind trotzdem hoch.

(Foto: Reuters)

Die Automobilindustrie macht eine wundersame Wandlung durch. Denn eigentlich müsste es den meisten Fahrzeugherstellern derzeit vergleichsweise schlecht gehen. Schon im vergangenen Jahr hatte die Corona-Pandemie die Verkaufszahlen weltweit einbrechen lassen. Dann kam zum Jahreswechsel der Chipmangel dazu – rund um den Globus konnten Millionen von Autos nicht produziert werden.

Das ist eigentlich der ideale Nährboden für eine Krise mit sinkenden Gewinnen. Aktuell passiert jedoch das genaue Gegenteil: Die meisten Autohersteller melden Rekordüberschüsse. Daimler überrascht die Finanzwelt mit einer Toprendite, Volkswagen hat in den ersten sechs Monaten schon so viel verdient wie im gesamten Jahr 2020.

Aus weniger wird mehr: In der Automobilindustrie geht es nun nicht mehr darum, die Absatzzahlen ins Unermessliche zu steigern. Stattdessen rückt ein nachhaltiger, gesunder Ertrag in den Vordergrund. Die tatsächlichen Produktions- und Verkaufszahlen dürfen gern auch schrumpfen, das muss ja nicht heißen, dass die Erlöse mit schrumpfen.

Gesunde Grenzen des Wachstums

Die Automobilindustrie ist in mehrfacher Hinsicht eine etwas seltsame Branche. Über Jahrzehnte ging es in vielen Unternehmen vor allem darum, die eigenen Fabriken maximal auszulasten und so viele Fahrzeuge wie möglich zu produzieren. Automanager wurden dafür ausgezeichnet, dass sie den Marktanteil ihres Unternehmens steigerten. Der Ertrag rückte dabei in den Hintergrund.

Wenn die Autokunden nicht willens waren, alle produzierten Fahrzeuge abzunehmen, dann halfen die Autohersteller künstlich nach. Rabatte und andere Formen von Nachlässen haben sich in den vergangenen Jahrzehnten zu einem Grundübel der Branche entwickelt. Die Verkaufszahlen mögen zwar auf den ersten Blick gestimmt haben, aber die Ertragsbasis erodierte.

Zur verfehlten Rabatt- und Nachlasspolitik gehört eine aufgeblähte Lagerhaltung. Manche Autohersteller halten gleich für mehrere Monate Fahrzeuge auf Vorrat. Auch aus der Not heraus, dass zu viel produzierte Fahrzeuge einfach irgendwo hinmüssen.

Und wenn alles nichts hilft, dann werden den eigenen Händlern noch sogenannte „Tageszulassungen“ aufgehalst. Autos, die über die Vertriebsorganisation für einige wenige Tage für den Straßenverkehr zugelassen werden und als Scheinverkäufe in die offizielle Verkaufsstatistik eingehen. Schließlich gibt es die Dienstwagen für die Mitarbeiter der Autohersteller, mit denen allein in Deutschland Hunderttausende von Fahrzeugen in den Markt gedrückt werden können.

Manipulierte Verkaufszahlen verdecken die Grundübel

Über Jahrzehnte hinweg hat sich bei den Autoherstellern auch die Gewohnheit durchgesetzt, monatliche Zulassungsdaten zu veröffentlichen. Diese Angaben sind letztlich Zahlen ohne Wert. Denn sie sagen nichts darüber aus, wie diese Verkäufe erreicht worden sind. Bedurfte es hoher Rabatte, um diese Autos in den Markt zu bringen? Rabatte, die den Ertrag gedrückt haben?

Diese Veröffentlichung von monatlichen Zulassungszahlen ist ein verzichtbares Relikt aus der Vergangenheit und ein reines Phänomen in der Autobranche. Zum Glück gibt es aufseiten der US-Autohersteller die ersten Tendenzen, mit diesen Zahlenspielen aufzuhören. Wie widersinnig diese Praxis ist, macht der Vergleich mit einer anderen Branche deutlich: Hat Mars jemals die Zahl seiner monatlich verkauften Schokoriegel veröffentlicht?

Der aktuelle Chipmangel ist deshalb kein Fluch, sondern ein Segen für die Automobilbranche – und das sogar weltweit. Die Hersteller werden durch fehlende Halbleiter zum Umdenken gezwungen. Sie müssen entscheiden, was ihnen wirklich wichtig ist.

Die meisten Hersteller haben die Chips vor allem dorthin gelenkt, wo sie am meisten Ertrag versprechen, also hin zu den Premium- und Luxusmarken. Das Massengeschäft musste im Gegensatz dazu hinten anstehen. Eine Blaupause liefert der Volkswagen-Konzern: Bei Porsche geht es unverändert blendend voran, auch bei Audi laufen die Geschäfte. Einbußen gibt es hingegen bei der Kernmarke Volkswagen Pkw, China ist dabei besonders betroffen.

Halbleiter gehen dorthin, wo am meisten verdient wird

Ein Autohersteller kann auch innerhalb einer Marke und zusätzlich regional mit der reduzierten Menge an gelieferten Chips jonglieren. Beispiel Ford: In der Fiesta-Fabrik in Köln gibt es seit Monaten fast ununterbrochen Kurzarbeit, die Bänder ruhen dort. Ford verdient in den USA deutlich mehr Geld mit seinen erfolgreichen Pick-ups. Also gibt es in Nordamerika keine längeren, mit Köln vergleichbaren Produktionspausen. Der Einsatz der Chips lohnt sich viel eher in den USA als in der Kölner Ford-Fabrik.

Für die Autohersteller zahlt sich dieser neue Weg der Produktionssteuerung aus, da die Gewinne trotzdem rekordverdächtig ausfallen. Niemand muss sich Sorgen darüber machen, dass die Läger wieder einmal überzulaufen drohen. Hohe Erträge sind ein Glücksfall für die Branche: Der Investitionsaufwand für Elektromobilität und Digitalisierung verschlingt in den nächsten Jahren gewaltige Milliardenbeträge.

Das Beispiel der Automobilindustrie zeigt jedenfalls, dass verminderte Produktionszahlen zu einem Vorteil werden können. Die Branche beweist ihre Flexibilität, wenn sie mit verminderten Ressourcen – in diesem Fall also Chips – umzugehen lernt. Luftnummern aus der Bilanz verschwinden, es gibt echte und zugleich höhere Gewinne. Die Unternehmen können insgesamt stabiler werden. Das ist gelebte Nachhaltigkeit.

Mehr: Chipmangel und schwache Elektro-Offensive: Volkswagen kriselt in China

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