Kommentar: Die zweifelhafte Drohung von Telekom-Chef Höttges

Die Telekom genießt in ihrer Heimat viele Privilegien.
Foto: BloombergTelekom-Chef Timotheus Höttges macht sich Sorgen um Deutschland. So stellt er es jedenfalls gern dar. Seine Warnungen vor Trägheit und Selbstzufriedenheit erneuert der Konzernchef regelmäßig, zuletzt bei der Vorstellung der Quartalszahlen am Donnerstag.
Die dichte Regulierung in Deutschland führe dazu, so Höttges, dass die Wirtschaft international zurückfalle und ihr Geld lieber im Ausland investiere. Die Telekom würde ja gern „patriotisch“ agieren, aber in den USA sei das Mobilfunkgeschäft eben erheblich attraktiver. Er steigerte sich in eine Drohung: Komme die Politik ihm nicht entgegen, werde er noch stärker auf Investitionen in Amerika setzen.
Das klang forsch und passte scheinbar in die Zeit. Sind all die umwelt-, arbeitnehmer- und kundenfreundlichen Regeln hierzulande nicht etwas zu viel geworden?
In Wirklichkeit war Höttges' Auftritt mindestens zynisch. Die Telekom verdient in ihrer Heimat gutes Geld. Im abgelaufenen Quartal steht in Deutschland unterm Strich ein Vorsteuergewinn (Ebit) in Höhe von 1,6 Milliarden Euro bei einem Umsatz von 6,2 Milliarden Euro.
Vor allem das Kupferfestnetz bringt dem Konzern nach wie vor viel Geld ein, da es längst bezahlt ist. Die grundlegende Infrastruktur erbte die Telekom einst von der Post.
Klar, der Glasfaserausbau ist teuer, aber er wurde auch lange aufgeschoben. Die Telekom hätte sich die Zukäufe und enormen Investitionen in den USA sonst nicht leisten können. Die hohen Kosten sind damit teilweise selbst verschuldet: Vor ein paar Jahren wären etwa die Tiefbaukosten noch geringer gewesen.
Lange rüstete die Telekom lieber aufwändig ihre Kupferleitungen auf. Das rächt sich heute. Die DSL-Zugänge sind nun schnell genug, um den meisten Kunden einen Glasfaseranschluss wie eine teure Spielerei für IT-Freaks erscheinen zu lassen.
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Dass die Telekom mehr als zwei Drittel ihres Gewinns mittlerweile in den USA macht, ist zwar ein Erfolg. Das Management sollte aber nicht vergessen, dass er ohne das solide Heimatgeschäft im Rücken kaum möglich gewesen wäre.
Die Telekom profitiert bis heute davon, dass der Staat ihr größter Anteilseigner ist. Ministerien und Behörden versorgen die Tochter T-Systems mit Aufträgen. Der Bund tolerierte niedrigere Dividenden, um weitere Investitionen in den USA möglich zu machen. Gleichzeitig kam der hochverschuldete Konzern durch die Staatsbeteiligung an günstigere Kredite. Daraus erwächst auch eine Verpflichtung.
Es erscheint vermessen, bei all den Privilegien über die vermeintlich schlechten Bedingungen in Deutschland zu klagen. Telekommunikationskonzerne sind hier streng reguliert, um die Kunden und den Wettbewerb zu schützen. Wer schon einmal die teuren, aber löchrigen Netze in den USA erlebt hat, weiß, warum.