Kommentar: Eine gute Führungskraft macht mehr aus als Anwesenheit


Wer Karriere machen will, muss außer Engagement und Leistung vor allem Präsenz zeigen – dieses Credo scheint in den Köpfen vieler Arbeitgeber nach wie vor fest verankert zu sein. Das zeigt eine aktuelle Umfrage des Personaldienstleisters Robert Half unter 100 Banken und Finanzdienstleistern.
Darin stimmten 74 Prozent der Arbeitgeber der Aussage zu, dass die Anwesenheit im Büro die Wahrscheinlichkeit, befördert zu werden, signifikant beeinflusst. 25 Prozent stimmten sogar „stark“ zu.
Die Botschaft lautet: Zeig dich, dann wirst du gesehen. Aber das ist zu kurz gedacht. Leistung sollte nicht daran gemessen werden, wie oft jemand im Büro sitzt – sondern an den Ergebnissen.
Die Annahme, dass diejenigen, die ständig anwesend sind, automatisch die besseren Führungskräfte oder Mitarbeiter sind, lenkt von der eigentlichen Aufgabe ab: Nämlich Talente im Unternehmen zu erkennen und zu fördern, die Fachwissen und Führungsqualitäten mitbringen.
Natürlich ist es auch wichtig, sich bei der Arbeit zu treffen. Die physische Anwesenheit stärkt den Zusammenhalt im Team, man kann sich besser vernetzen oder spontane Gespräche führen. Wie oft jemand im Büro ist, sollte aber nie ausschlaggebend dafür sein, ob jemand befördert wird oder nicht.
Denn gute Führung und Engagement zeigen sich in der Art und Weise, wie jemand arbeitet, ob ein Mitarbeiter gesteckte Ziele erreicht oder ein Team motivieren kann – unabhängig davon, wo dies geschieht.
Wer Beschäftigte auf ihre Anwesenheit im Büro reduziert, hat zudem nicht nur das Potenzial hybrider Arbeit immer noch nicht erkannt; er benachteiligt auch diejenigen, die nicht fünf Tage die Woche im Büro sein können – etwa Eltern oder Beschäftigte, die Angehörige pflegen.
Der Arbeitsmarkt hat sich verändert. Das Büro funktioniert nicht mehr für alle. Statt zu jammern und sich in die Zeit vor der Coronapandemie zurückzusehnen, sollten Unternehmen ihren Mitarbeitern Vertrauen entgegenbringen und überlegen, wie hybride Arbeit gut funktionieren kann. Dazu gehört auch, die Leistung regelmäßig zu bewerten und zu messen – und danach zu entscheiden, wer befördert wird.
Doch diesen Aufwand scheuen viele Unternehmen. Statt differenziert zu schauen, in welchen Abteilungen wie viel Präsenz sinnvoll ist, stiehlt man sich lieber aus der Verantwortung und sagt pauschal: Präsenz ist besser als Homeoffice.

Das wirkt in einer modernen Arbeitswelt nicht nur altmodisch, sondern untergräbt auch die Flexibilität und Eigenverantwortung der Mitarbeiter. Die Coronapandemie hat gezeigt, dass auch von zu Hause aus sehr gute Leistungen erbracht werden können. Diese Erkenntnis sollte sich endlich in den Unternehmen durchsetzen.
Mehr: „Im Topmanagement kenne ich niemanden, der im Homeoffice sitzt“
Erstpublikation: 05.11.2024, 18:36 Uhr.






