Kommentar: Es gibt keinen Gegensatz zwischen Wirtschaft und Gesundheit

Die Wirtschaft produziert technische Geräte, die im Gesundheitswesen gebraucht werden.
Kaum gilt das Kontaktverbot, kaum sind Rettungspakete beschlossen, flammt die Fundamentalkritik daran auf: Der Shutdown gegen die rasend schnelle Ausbreitung des Coronavirus bedrohe die Wirtschaft, warnen so unterschiedliche Leute wie US-Präsident Donald Trump und der deutsche Investor Alexander Dibelius, für den „der akute Absturz der Weltwirtschaft mit all seinen Folgewirkungen der weit größere und gefährlichere Stresstest als Sars-CoV-2“ ist.
Dibelius will zumindest die Frage erörtern dürfen, ob es nicht sinnvoller sei, die zehn Prozent der besonders Bedrohten zu isolieren und dem großen Rest ein weitgehend normales Leben einzuräumen.
Eigentlich sollte ein Blick in die Lombardei genügen, um den Denkfehler zu sehen. Dort verheert gerade die Pandemie das Gesundheitswesen so sehr, dass an normales Wirtschaften eh nicht zu denken wäre.
Da Menschen ab 60 und chronisch Kranke als gefährdet gelten, reden wir in Deutschland nicht über zehn Prozent, sondern über ein Drittel der Bevölkerung, das Covid-19 nicht einfach mal weghusten kann. Und sollen dann Ärzte und Pflegekräfte gleich mit in Dibelius’ Parallelwelt der Alten und Kranken eingeschlossen werden?
Wenn das Virus eines zeigt, dann dies: Die Wirtschaft ist keine Parallelwelt. Ohne den steten Austausch von Menschen läuft sie nicht und ebenso wenig, wenn zu viele krank sind – weshalb ja auch Großbritannien abgekehrt ist von der Idee, durch schnelle Ausbreitung des Virus Herdenimmunität herzustellen. Umgekehrt gilt für das Gesundheitswesen, dass es ohne „die Wirtschaft“, und seien es Zulieferungen an Schutzausrüstungen, Beatmungsgeräten und Medikamenten, nicht funktionieren kann.
Wenn die Wirtschaft zusammenbricht, wird auch das Gesundheitswesen kollabieren. Deshalb hat auch keiner der deutschen Spitzenökonomen bisher den sofortigen Ausstieg aus dem Shutdown gefordert, obwohl dieser unbestreitbar zu einer tiefen Rezession führen wird.
Die Zeit der Kontaktsperre muss sinnvoll genutzt werden
Weil Wirtschaft und Gesundheit also untrennbar zusammenhängen, muss der Ausstieg aus dem Shutdown sorgfältig ausbalanciert werden. Die flächendeckenden Kontaktverbote haben das Ziel, die Ausbreitungsgeschwindigkeit des Virus zu bremsen. Dieses Ziel muss – siehe Italien und Spanien – erreicht werden. Dafür sind Kontaktverbote bis nach Ostern wohl unvermeidbar.
Für den Ausstieg aus dem Shutdown favorisieren Ökonomen einhellig das Vorbild Südkorea: massiv testen, Infizierte schnell isolieren, schnelle Quarantäne für Kontaktpersonen. Man isoliert also kurzzeitig Infizierte, bis sie nicht mehr ansteckend sind, und bleibt beim Verbot von Großveranstaltungen. Bund, Länder, Kommunen und Gesundheitsämter müssen die Kontaktsperrezeit jetzt nutzen, um das Gesundheitswesen schnell auszubauen und zu digitalisieren.





