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KommentarEuropa muss sich darauf einstellen, dass Trump US-Präsident wird

Die Wahrscheinlichkeit, dass Trump ins Weiße Haus zurückkehrt, sinkt nicht, sie steigt. Trotz seiner Verurteilung. Die Vorbereitung auf eine zweite Trump-Präsidentschaft muss spätestens jetzt beginnen.Moritz Koch 07.06.2024 - 09:23 Uhr
Donald Trump liegt in Umfragen vor US-Präsident Joe Biden. Foto: REUTERS

„Hope“ lautete die schlichte Wahlkampf-Botschaft, mit der Barack Obama 2008 Amerika in seinen Bann schlug. Sein Parteifreund Joe Biden, so witzeln die Amerikaner jetzt, braucht ein stärkeres Mittel, um seine Anhänger zu mobilisieren – Hopium: Hoffnung kombiniert mit Opium.

Dieser Wirkstoff wird mittlerweile auch in Europa herumgereicht, um die Furcht vor einer Rückkehr von Donald Trump ins Weiße Haus zu bekämpfen. Wer Hopium konsumiert, ist sich sicher, dass Bidens schlechte Umfragewerte eine Momentaufnahme sind, dass Amerika keinen verurteilten Straftäter zum Präsidenten wählt und dass die USA ein verlässlicher Wertepartner für die Europäer bleiben.

Das Problem ist, dass Hopium-Konsum eine Realitätsflucht darstellt. Umfragen zeigen, dass Trump in den wahlentscheidenden Bundesstaaten vor Biden liegt. Die Verurteilung durch eine Geschworenenjury in New York schwächt ihn nicht, im Gegenteil, sie motiviert seine Anhänger noch weiter und spült ihm Millionensummen in die Wahlkampfkasse.

Obwohl noch gar nicht feststeht, ob Trump ins Gefängnis muss, inszeniert er sich schon als „politischer Gefangener“, als Opfer einer Elitenverschwörung. Seine Partei steht geschlossen hinter ihm. Teils aus Überzeugung, teils aus Opportunismus, teils aus Angst. Wer sich als Republikaner gegen Trump stellt, beendet seine politische Karriere.

Selbstaufgabe ist das Gegenteil von Strategie

Biden dagegen wirkt gebrechlich, seine mentalen Aussetzer häufen sich, diese Woche stiftete er mit einem Interview Verwirrung, in dem er überraschend die Nato-Perspektive der Ukraine infrage stellte. Die US-Wähler bezweifeln, dass der 80-jährige Demokrat den Strapazen des Amts noch gewachsen ist. Die Wahrscheinlichkeit, dass Biden Trump nicht nur im Kampf um mediale Aufmerksamkeit, sondern auch am Wahltag unterliegt, sinkt nicht. Sie steigt.

Für Europa bedeutet das, dass die Vorbereitung auf Trumps Rückkehr ins Weiße Haus spätestens jetzt beginnen muss. Das transatlantische Bündnis war selten so wichtig. Der Krieg in der Ukraine birgt Eskalationsgefahren, die bisher vor allem durch das Abschreckungspotenzial der US-Streitkräfte eingedämmt werden.

Die Abneigung gegen Trump, die viele Europäer verspüren, darf einer nüchternen Betrachtung der eigenen Interessen nicht im Weg stehen. Europa braucht die USA dringender als die USA Europa. Wenn die Amerikaner Trump zu ihrem Präsidenten wählen, müssen die Europäer sich mit ihm arrangieren.

Doch wenn man sich unter europäischen Diplomaten umhört, schwanken die Analysen zwischen Hopium-getränktem Zweckoptimismus und defätistischer Schicksalsergebenheit. Wenn Trump gewählt wird, „dann Gnade uns Gott“, sagte mir ein hochrangiger Beamter neulich. Selbst wenn das so wäre: Selbstaufgabe ist das Gegenteil von Strategie.

Europa hat sein Schicksal selbst in der Hand

Meine Kollegin Annett Meiritz und ich konnten vor ein paar Tagen Elbridge Colby sprechen. Diesen Namen wird man sich merken müssen. Colby könnte als Nationaler Sicherheitsberater dienen, wenn Trump ins Weiße Haus zurückkehrt.

Im Interview stellt Colby klar, was eine republikanische Regierung von Europa und vor allem von Deutschland erwarten würde: eine deutliche Erhöhung der Verteidigungsausgaben auf 3,5 Prozent der Wirtschaftskraft.

Warum? Weil Amerika nach Colbys Analyse Gefahr läuft, sich mit seinen Bündniszusagen zu übernehmen und sich darauf konzentrieren muss, China davon abzuschrecken, Taiwan anzugreifen. Spätestens wenn dieser Ernstfall eintritt und es im Pazifik zum Krieg kommt, muss Europa den russischen Aggressor Wladimir Putin selbst in Schach halten können.

Elbridge Colby könnte Trumps Nationaler Sicherheitsberater werden. Foto: privat

Trump ist, anders als gern behauptet, nicht unberechenbar. Aber er ist impulsiv – und auf hochmütige Europäer nicht gut zu sprechen. Ein Untergangsszenario wie das Ende der Nato kann nicht ausgeschlossen werden. Es wird in einer zweiten Trump-Regierung kaum noch Berater geben, die sich seinem Willen widersetzen. Aber wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, dass das transatlantische Bündnis platzt, hängt auch von europäischen Entscheidungen ab.

„Die Zeiten, in denen wir uns auf andere völlig verlassen konnten, sind ein Stück vorbei“, sagte die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel 2017 nach ihren ersten Begegnungen mit Trump. „Wir müssen selber für unsere Zukunft kämpfen, als Europäer“, betonte sie. Nur folgte unter Merkel nichts daraus. Erst ihr Nachfolger Olaf Scholz leitete die Zeitenwende ein und das auch nur, weil ihm nach Putins Überfall auf die Ukraine keine andere Wahl blieb.

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Trumps mögliche Wiederwahl würde keine zweite Zeitenwende erforderlich machen, wohl aber die Beschleunigung der schon begonnenen sicherheitspolitischen Transformation. Das würde viel Geld kosten, wäre aber keine Katastrophe.

Auf Trumps ersten Wahlsieg war niemand in Europa vorbereitet. Heute wissen wir, was auf uns zukommt. „Hope for the best, prepare for the worst” – heißt es in den USA. Das muss der Leitfaden für die europäische Amerika-Politik sein.

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