Kommentar: EZB sollte gegenüber der Politik klare Kante zeigen

Kein Abladeplatz für alle politischen Probleme.
Wenn die Geldpolitiker der Europäischen Zentralbank (EZB) am 16. Dezember zusammenkommen, geht es natürlich um die deutlich zu hohe Inflation.
Aber in Wahrheit steht ein noch wichtigerer Punkt auf der Tagesordnung: Wie klar grenzt sich die Geldpolitik von der Finanzpolitik ab? Wie deutlich gibt die EZB ein Signal an europäische Regierungschefs und Finanzminister, dass die ihre Probleme nicht länger in Frankfurt entsorgen können? Die Zentralbank sollte in dem Punkt klare Kante zeigen.
Um genau dieses Signal geht es bei der Entscheidung über das Notfallprogramm PEPP. Wahrscheinlich wird die EZB beschließen, es im kommenden März auslaufen zu lassen. Aber was kommt danach?
PEPP war und ist mit einem Gesamtvolumen von 1,85 Billionen Euro nicht nur ein besonders großes Programm zum Ankauf von Anleihen. Es ist auch besonders flexibel. Unter PEPP, das ist der Coronapandemie geschuldet, kann die EZB gezielt einzelnen Regierungen mit Käufen von Staatsanleihen unter die Arme greifen, während sie sonst weitgehend an bestimmte Gewichtungen gebunden ist. Zwar hat die EZB diese Freiheit nur sehr eingeschränkt genutzt. Aber allein die Tatsache, dass sie helfen kann, hält die Kapitalmärkte von spekulativen Angriffen auf einzelne Euro-Länder ab.
Keine Hintertürchen öffnen!
Die Frage ist jetzt, ob die EZB diese Flexibilität aufgibt, oder sich ein Hintertürchen offenhält, um doch noch gezielt einzelnen Regierungen zu helfen. Sie könnte den Umstand ausnutzen, dass bei PEPP auch nach dem offiziellen Stopp von Nettozukäufen zunächst noch weiter auslaufende Papiere ersetzt werden. Oder explizit andeuten, dass PEPP jederzeit erneuert werden kann. Oder mit APP ein anderes aktuell laufendes Ankaufprogramm flexibel aufpeppen.
Sie sollte nichts von alledem tun. Jede offene Hintertür signalisiert den Regierungschefs, dass sie sich um Schulden keine allzu großen Sorgen machen müssen, weil sie die jederzeit doch wieder bei der EZB abladen könnten. Und wenn das auf längere Sicht zu Inflation führt, können sie mit dem Finger nach Frankfurt zeigen.
Um Missverständnisse zu vermeiden: Es geht zwar in erster Linie, aber keineswegs ausschließlich, darum, dass Regierungen Verantwortung für ihre eigenen Schulden übernehmen. Sondern entscheidend ist auch, dass auf europäischer Ebene der wegen Corona geschaffene Finanzausgleich im vernünftigen Rahmen weitergeführt wird.
In einem einheitlichen Markt wird es, ähnlich wie innerhalb einzelner Länder, immer wieder einen Bedarf für den Ausgleich zwischen stärkeren und schwächeren Regionen, zwischen Export- und Importländern geben. Die Frage ist nicht, ob, sondern wie der stattfindet, denn Exportüberschüsse kann es nur geben, wenn woanders unterm Strich auf Pump gekauft wird.
Fünf Optionen für den Finanzausgleich
Im Prinzip gibt es fünf Optionen für den Finanzausgleich. Einmal die Abwertung der Währung eines Landes mit Schuldenüberhang, was im Euro-Raum aber nicht möglich ist. Dann direkte Finanztransfers, den Ausgleich durch die Geldpolitik über die Hintertür à la PEPP, oder, wie in der Euro-Krise in Griechenland, einen Schuldenschnitt. Und zuletzt noch den Import von Arbeitskräften statt von Waren und Dienstleistungen, das macht Deutschland bereits ausgiebig.




Der Umweg über die Geldpolitik ist für die Regierungen der bequemste Weg. Die EZB sollte deutlich machen, dass sie dafür nicht zur Verfügung steht. Natürlich wird sie immer wieder den Euro retten, ehe alles zusammenbricht – das ist ganz klar auch Teil ihres Mandats, die Preise stabil zu halten. Aber wenn sie das von sich aus schon anbietet, macht sie sich abhängig von der Politik und beschädigt ihre Glaubwürdigkeit.
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