Kommentar: Frankreich steht vor dem schuldenpolitischen Offenbarungseid

Als Begrüßung empfängt Frankreichs neuen Premier gleich einmal eine Herabstufung der Kreditwürdigkeit durch die Ratingagentur Fitch. Dieser Schritt ist nur konsequent und letztlich Ausdruck der eklatanten Reformunfähigkeit oder, präziser: der Reformverweigerung der politischen Elite des Landes.
Sébastien Lecornu ist bereits der fünfte Regierungschef in den vergangenen zwei Jahren – und dass die Halbwertzeit französischer Premiers mittlerweile italienische Ausmaße annimmt, ist tatsächlich symptomatisch für das Scheitern des viel beschworenen Macronismus.
Lecornus abgetretener Vorgänger François Bayrou fasste die Lage bei seiner letzten Rede vor dem Misstrauensvotum im Parlament so zusammen: „Es handelt sich hier nicht mehr nur um eine politische, sondern um eine historische Frage.“ In der Tat.
Denn die politische Krise Frankreichs ist auch und vor allem eine europäische Krise: Scheitert Frankreich, scheitert Europa. Das klingt alarmistisch, beschreibt aber dennoch glasklar die Lage, in der sich eine Europäische Union derzeit befindet: Allein gelassen von einem zunehmend autokratisch agierenden US-Präsidenten, für den westliche Werte ein anachronistisches Relikt darstellen, bedroht von einem ebenso imperialistischen wie geschichtsrevisionistischen russischen Präsidenten, der die Stunde für seinen Expansionsdrang zu nutzen weiß.