Kommentar: Kaeser hat halbwegs das Beste aus der Malaise gemacht
Am Ende war es doch vor allem ein geschickter PR-Coup von Joe Kaeser. Mit dem Angebot an Luisa Neubauer, einen Aufsichtsratsposten zu übernehmen, zeigte der Siemens-Chef, dass er die Klimabewegung ernst nimmt und an einem dauerhaften Dialog interessiert ist. Diversität und eine Verjüngung tun Konzerngremien zudem grundsätzlich gut. Neue Kompetenzen und Sichtweisen sind gefragt.
Schlecht war die Idee daher nicht. Gleichzeitig lenkte Kaeser vom Reizthema ab, der Beteiligung seines Konzerns an dem umstrittenen Kohleprojekt in Australien.
Doch genauso erwartbar war die Entscheidung Neubauers, das Angebot abzulehnen. Da Kaeser die Offerte gleich nach dem gemeinsamen Gespräch öffentlich machte, hatte sie nur wenig Bedenkzeit. In der Klimabewegung hätten es viele kritisch gesehen, wenn sie einen Posten von einem Konzern angenommen hätte, der derzeit auf der Gegenseite ist.
Vor allem aber hat Neubauer inhaltlich recht. Als Aktivistin ordnet sie derzeit alles dem Thema Klimaschutz unter. Der Corporate Governance Kodex aber schreibt vor: „Jedes Mitglied des Aufsichtsrats ist dem Unternehmensinteresse verpflichtet.“ Die Kontrolleure müssen die Belange der Investoren ebenso berücksichtigen wie die der Beschäftigten. Aufsichtsräten drohen auch persönliche Haftungsrisiken zum Beispiel beim Vorwurf der Untreue.
Mit der Rolle einer Aktivistin, die sehr entschiedene Positionen vertritt, ist das nur schwer zu vereinbaren. Womöglich findet sich ja ein anderes Gremium wie zum Beispiel ein Beirat, in dem Siemens Nachhaltigkeitsthemen mit Neubauer diskutieren kann.
Auch das ist klar: Es kann im Interesse eines Konzerns sein, einen Auftrag auch einmal abzulehnen. Im Fall des Adani-Projekts ist der Umsatz klein, das Reputationsrisiko aber groß. Investoren legen heutzutage auf Nachhaltigkeitsaspekte wert, und das Image spielt auch beim Kampf um die besten Köpfe eine wichtige Rolle.
Die Frühwarnsysteme von Siemens hätten daher früher Alarm schlagen müssen. So kam Kaeser erst spät ins Spiel, machte dann aber noch halbwegs das Beste aus der Malaise. Den Aufsichtsrat der Siemens Energy kann Siemens übrigens erst einmal frei besetzen. Denn zum Start ist die Siemens AG Alleineigentümer. Auch hatte Kaeser seinen Vorstoß mit seinem eigenen Aufsichtsrats-Vorsitzenden Jim Hagemann Snabe abgesprochen.
Daran, dass Siemens den inzwischen ungeliebten Adani-Auftrag wohl wird erfüllen müssen, können beide nichts ändern. Ein Ausstieg wäre ein problematisches Signal an alle Kunden. Die wollen nicht das Risiko, dass sich Siemens aus Verpflichtungen verabschiedet, wenn es öffentliche Kritik gibt.





