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Kommentar„Kleine Richterlein“: Montgomery schießt weit über das Ziel hinaus

Mit seinen polemischen Aussagen spaltet Weltärztepräsident Montgomery die Gesellschaft und bewirkt so das Gegenteil dessen, was er eigentlich erreichen will.Martin Greive 27.12.2021 - 13:39 Uhr Artikel anhören

Fragwürdiges Verständnis von Gewaltenteilung.

Foto: dpa

Ulrich Montgomery ist für Zuspitzungen bekannt. In einer Talkshow sprach er kürzlich von einer „Tyrannei der Ungeimpften“. Jetzt setzte der Weltärztepräsident noch einen drauf: Er stoße sich daran, „dass kleine Richterlein sich hinstellen und wie gerade in Niedersachsen 2G im Einzelhandel kippen“, erklärte Montgomery in einem Interview.

In einer Pandemie können flammende Appelle dabei helfen, Impfunwillige wachzurütteln. Weil dies nicht die Sache des neuen Bundeskanzlers Olaf Scholz ist und die Politik im Laufe der Pandemie viel Kredit verspielt hat, müssen den Job des Wachrüttlers andere übernehmen: Virologen – und ja, Verbandsvertreter wie Montgomery.

Tatsächlich kann Montgomery sehr plastisch über die Pandemie reden. Nur schießt er dabei regelmäßig weit über jedes Ziel hinaus. Mit seinen polemischen Aussagen spaltet er die Gesellschaft, spielt gesellschaftliche Gruppen gegeneinander aus und bewirkt so das Gegenteil dessen, was er eigentlich erreichen will: die Skepsis der Impfverweigerer zu überwinden.

Schon die Aussage, das Land leide unter einer „Tyrannei der Ungeimpften“, war hochproblematisch. Eine solche Moralisierung der Impfdebatte führt nur zu einer noch größeren Polarisierung.

Und sie wischt beiseite, dass es unter den Ungeimpften natürlich nicht nur Verschwörungstheoretiker, sondern auch viele Menschen gibt, die schlicht und ergreifend echte Ängste haben. Die Aufgabe der Gesellschaft ist es, diesen Menschen ihre Ängste durch überzeugende Argumente zu nehmen, anstatt sie kurzerhand als „Tyrannen“ zu brandmarken und an den Rand der Gesellschaft zu stoßen.

Die neue Aussage Montgomerys hat in Form und Stil aber noch einmal eine ganz neue Qualität. Kritik an der unabhängigen Justiz ist immer ein Balanceakt und sollte wohlbegründet sein. Man mag zu manchen Urteilen im Laufe der Pandemie auch unterschiedlicher Meinung sein.

Diffamierung der Justiz

Was aber gar nicht geht, ist Richter als „kleine Richterlein“ zu diffamieren. Das zeugt von einem fragwürdigen Verständnis von Gewaltenteilung und erinnert im Duktus an die Sprache, mit der auch die AfD unsere demokratischen Grundwerte attackiert.

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Zugleich erweist Montgomery der Impfkampagne und dem gesamten Corona-Krisenmanagement einen Bärendienst. Denn er bestärkt Coronaleugner und andere Skeptiker in ihrem falschen Glauben, der Rechtsstaat sei während der Pandemie ausgehöhlt, wenn gar nicht aufgelöst worden.

Bei allem Einsatz, Elan und Eifer für die Impfkampagne dürfen gewisse Grenzen nicht überschritten werden. Montgomery hat genau dies getan. Zum Glück kommt es in einem Rechtsstaat auf Richter an – und nicht auf Verbandsfunktionäre.

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