Kommentar: Millionen Menschen erhalten von ihren Krankenkassen ärgerliche Post

Viele hatten es befürchtet, nun ist es eingetreten: Große Krankenkassen wie die Techniker Krankenkasse und die DAK-Gesundheit erhöhen zum Jahreswechsel ihre Zusatzbeiträge. Die TK steigt von 2,45 auf 2,69 Prozent, die DAK von 2,8 auf 3,2 Prozent. Damit gehen ausgerechnet zwei der größten Anbieter einen Schritt, den die Bundesregierung eigentlich vermeiden wollte. Millionen Menschen haben vermutlich bereits unangenehme Post erhalten.
Aus der Opposition kommt scharfe Kritik. Der Vorwurf lautet politisches Versagen. Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU) verweist auf das beschlossene Sparpaket, das Einsparungen von zwei Milliarden Euro bringen soll. Damit sei zunächst das Nötige getan worden, argumentiert sie. Ob das ausreicht, ist jedoch offen.
Eine belastbare Bewertung ist ohnehin erst möglich, wenn feststeht, wie sich die übrigen Krankenkassen entscheiden. Maßgeblich wird sein, ob eine Mehrheit der Kassen ihre Zusatzbeiträge anhebt. Einige wie die Kaufmännische Krankenkasse – KKH haben bereits veröffentlicht, nicht zu erhöhen. Sie liegt mit rund 3,7 Prozent aber auch weit über dem Durchschnitt. Wenn die Mehrheit erhöht, lässt sich das Ziel stabiler Beiträge klar als verfehlt bezeichnen. Bei 94 Krankenkassen und rund 70 Millionen Versicherten ist Zurückhaltung angebracht.
Gleichzeitig lässt sich die Bedeutung der bisherigen Entscheidungen nicht kleinreden. Allein TK und DAK versichern zusammen rund 18 Millionen Menschen. Zudem unterscheiden sich die Anpassungen: Während die TK nahe an der offiziellen Prognose bleibt, liegt die DAK spürbar darüber.
Gerade bei der DAK ist der Kontext wichtig. Der Vorstand hatte bereits Wochen vor der endgültigen Entscheidung erklärt, man rechne mit dem ungünstigsten Fall – also damit, dass das Sparpaket politisch scheitert. Diese Annahme floss damals in die Kalkulation ein. Wenn die Beitragserhöhung teilweise auf Erwartungen beruhte, die sich später nicht bestätigt haben, relativiert das den Vorwurf eines politischen Versagens.
Früher als im Koalitionsvertrag vorgesehen
Zweifel an der Wirkung des Pakets gab es allerdings von Beginn an, auch vom GKV-Spitzenverband. Zudem bleiben die zentralen Kostentreiber bestehen: steigende Behandlungskosten, insbesondere in Kliniken, teurere Medikamente, eine alternde Bevölkerung und mehr Leistungen.
Warken hat nie behauptet, mit dem Sparpaket all diese Probleme zu lösen. Sie verweist auf die Finanzkommission, die bis Ende März 2026 erste Vorschläge zur Stabilisierung der Beiträge ab 2027 vorlegen soll. Das ist zwar früher als im Koalitionsvertrag vorgesehen, wirkt angesichts der bekannten Studienlage und der finanziellen Lage der Kassen aber langsam und wenig reformorientiert.
Solange jedoch offen ist, ob weitere Krankenkassen nachziehen, kommt der Vorwurf politischen Versagens zu früh. Zumal das Finanzloch der gesetzlichen Krankenversicherung das Ergebnis jahrelanger politischer Versäumnisse ist und nicht allein der Verantwortung der aktuellen Ministerin zuzuschreiben ist.