Kommentar: Netanjahu erschafft eine Festung Israel – keinen Frieden


Eine vollständige Einnahme Gazas, die Annexion des Gebiets durch Israel, gar die Vertreibung der dort lebenden Menschen – alles scheint inzwischen möglich im Nahost-Konflikt. Dass die rohe Gewalt in diesem komplexesten aller internationalen Konflikte kein Ende findet, liegt in einer Konstellation begründet, die ungünstiger derzeit kaum sein könnte.
Da ist zunächst Israels Premier, der in seiner Vergeltung für die Terrorattacken der Hamas vom 7. Oktober 2023 jegliches Maß verloren hat. Geschätzte 60.000 Todesopfer sind zu beklagen, ein Großteil darunter zivile Opfer. Getrieben von seinen ultrarechten Koalitionspartnern verfolgt Benjamin Netanjahu eine Politik der verbrannten Erde, die am Ende wahrscheinlich weniger den Sicherheitsinteressen Israels dient als vielmehr einer Sicherung seiner Koalition beziehungsweise seines eigenen politischen Schicksals.
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Da ist zweitens ein US-Präsident, der zwar als Einziger über das politische Gewicht verfügt, um in der Region überhaupt etwas zu bewegen. Aber Donald Trump lässt Israels Premier weitgehend gewähren, betreibt teilweise sogar dessen Geschäft. Indem Trump etwa von Gaza als „Riviera des Nahen Ostens“ fantasiert, ein Immobilienparadies samt Vertreibung der dort lebenden Palästinenser, bedient er – bewusst oder unbewusst – das Narrativ der Radikalen in Israels Regierung.
Und da ist nicht zuletzt das zynische Terrorgeschäft der Hamas, die immer noch 50 israelische Geiseln festhält. Und auch nicht davor zurückschreckt, das eigene darbende und hungernde Volk als Geisel einzusetzen, um seine politischen Ziele zu erreichen. Dazu gehört auch die zunehmende internationale Isolation Israels, die sich etwa in der Bereitschaft Frankreichs und Großbritanniens widerspiegelt, Palästina als Staat anzuerkennen.
Ernsthafte Friedensgespräche würden wahrscheinlich das Ende der Hamas bedeuten. Auch, weil eine Auflösung der Terrororganisation nicht nur berechtigtes Sicherheitsinteresse Israels ist, sondern eine notwendige Bedingung für den Beginn ernsthafter Friedensverhandlungen darstellt.
Netanjahu will mit Gewalt Fakten schaffen
Eine wie auch immer geartete Waffenruhe, Deeskalationsbemühungen, ganz zu schweigen von einer Friedenslösung aber passen weder in das politische Kalkül der Hamas noch in das der israelischen Regierung. Solange das so bleibt, wird die Gewalt die Gewalt nähren, und der Krieg den Krieg.
Selten waren die Bedingungen für eine Deeskalationspolitik schlechter als derzeit. Und es steht zu befürchten, dass die Drohung einer vollständigen Einnahme Gazas durch Israel mehr ist, als nur Verhandlungstaktik zur Befreiung der verbliebenen israelischen Geiseln.



Wenn es eine Konstante in der Strategie Netanjahus gibt, dann die: Der Premier will ebenso wie seine Terror-Feinde der Hamas mit Gewalt Fakten schaffen. Das gilt für Gaza, und das gilt für das Westjordanland. Doch selbst wenn Netanjahu das aufgrund der erdrückenden militärischen Überlegenheit seiner Streitkräfte gelingt, wird er allenfalls eine Festung Israel schaffen. Einen Weg in eine neue Friedensordnung ebnet Israels Premier so jedenfalls nicht.
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