Kommentar: Polens überraschend konstruktive Rolle: Mut und klare Kante gegen Putin
Ein Mann schwenkt die ukrainische und die polnische Flagge während einer Demonstration vor einem Gebäude, in dem russische Diplomaten untergebracht sind.
Foto: dpaIn Sachen Selbstvermarktung kann sich Polen von anderen EU-Staaten ganz sicher eine Scheibe abschneiden. Vom derzeitigen Ratsvorsitzenden Emmanuel Macron etwa, der jeden seiner Schritte öffentlich zelebriert.
Warschau indes musste zuletzt noch heftige Kritik einstecken: wegen seiner irrigen Justizreform, seiner harschen Abtreibungsverbote, der Einschränkung der Meinungsfreiheit – und natürlich wegen seiner radikalen Flüchtlingspolitik während des Syrienkriegs.
Dabei hatte Polen nach der Krimannexion und dem russischen Überfall auf den Donbass 2014 bereits über eine Million Ukrainerinnen und Ukrainer aufgenommen. Die meisten kamen in Lohn und Brot statt – wie bei uns viele – in Auffanglager ohne Jobs.
Zuvor schon hatte Polen Zehntausende (muslimische) Menschen aus Tschetschenien einreisen lassen, der russischen Teilrepublik, die Wladimir Putin ebenso unerbittlich bombardieren ließ wie jetzt die Ukraine. Tue Gutes und rede darüber – diese alte PR-Weisheit hatte die polnische Regierung immer vernachlässigt. Stattdessen führte Warschau lieber verbitterte ideologische Debatten mit Brüssel.
Beeindruckende Aufnahme von zwei Millionen Geflüchteten
Jetzt endlich zeigt Polen der westlichen Welt, dass das Land erstens wichtig für Europa ist und zweitens auch einen positiven Beitrag zur Gemeinschaft leisten kann.
Premier Mateusz Morawiecki reiste am Dienstag mutig mit seinen Regierungschef-Kollegen aus Tschechien und Slowenien nach Kiew. Sie setzen so ein Zeichen der Solidarität mit dem bedrängten Land. Und sie treiben damit die EU zu mehr Unterstützung für Kiew.
Die beeindruckende Aufnahme von mehr als zwei Millionen Ukraine-Flüchtlingen allein durch Polen tut ein Übriges. Dabei geht es Warschau keineswegs nur um wirtschaftliche Vorteile einer Nähe zur Ukraine, so sie denn politisch überlebt. Auch nicht nur um die Angst, nach einem Fall Kiews selbst durch Russland angegriffen zu werden.
Polen und die anderen früheren Warschauer-Pakt-Staaten drängen das westeuropäisch geprägte Brüssel zu einer neuen Russlandpolitik: klare Kante gegen Putin.