Kommentar: Porsche braucht einen Stammplatz im Dax


Für den nüchternen Finanzprofi mag es lediglich die Konsequenz finanzmathematischer Notwendigkeiten sein, für industrielle Nostalgiker ist es der Untergang des Abendlandes: Die Porsche AG droht bei der anstehenden Neuordnung des Dax im September dort herauszufliegen. Stattdessen gehört neben dem Maschinenbauer Gea Scout24 zu den potenziellen Aufstiegskandidaten.
Kleinanzeigen rein, Sportwagen raus? Das Signal ist verheerender, als es auf den ersten Blick scheint. Mit dem Kick aus dem Dax wird etwas sichtbar und symbolisch besiegelt, was viele bereits ahnten, aber nicht wahrhaben wollen: der schleichende Niedergang der deutschen Autoindustrie.
So, wie die Zechen und Fördertürme zwischen Essen und Witten ihr Dasein als Kulisse für den Tourismus und Erinnerung an eine bessere Vergangenheit des Ruhrgebiets fristen, könnten die Autobahnen von der Leistungsschau der Ingenieurskunst zur Nutzfläche des Transports degenerieren, wenn die Unvernunftautos mit immerhin charmanter Hülle verschwinden.
Markenimage des Landes hängt an Ikonen
Der unabsteigbare HSV hat sich von der Schande des Klassenverlusts bis heute nicht wirklich erholt. Kein Gegner zitterte mehr, wenn er im Volksparkstadion antreten musste. Sieben Jahre dauerte es, bis sich der HSV nun von Ende August an wieder in der Oberklasse bewähren darf. Ausgang ungewiss. Ein Ruf, der einmal verloren ist, kann kaum wiedererlangt werden.
Wer also würde sich nicht wünschen, das Aushängeschild des sportlichen Fahrens mit allen Mitteln im Dax zu bewahren? Kann die Zusammensetzung der 40 wichtigsten börsennotierten Unternehmen im Dax als Spiegel der Leistungsfähigkeit der größten Volkswirtschaft Europas allein von mathematischen Formeln des Börsenbetreibers abhängen?
In den USA jedenfalls, so ahnt man, wäre ein Dekret schneller unterschrieben, als ein 911 auf 100 Kilometer pro Stunde beschleunigt, das besagt, dass Porsche nicht aus dem Index absteigen darf.
Es wäre für die Außenwirkung der Volkswirtschaft wichtig, dass die bewährten Pfeiler des Markenimages gestützt werden, vielleicht eine Aufgabe für den Kulturstaatsminister, der die Bedeutung von ikonischen Produkten erkennt.
Das vermutlich für Porsche in den Dax aufsteigende Scout24 mag mit Abstand die größte Onlineplattform für Wohn- und Gewerbeimmobilien sein, die auf Basis der Zahlen zu Recht aufsteigt – die Dienstleistung, für die sie steht, sind in ihrem Wesen Kleinanzeigen. Wer eine Immobilie sucht, kann dort fündig werden.




Deutschland, vom Geburtsland von Traumautos zur Heimat für Annoncentechnik – wer den Wandel, den wir erleben, bisher nicht erkannt hat, kann ihn im September mit Pech an der Liste der Dax-Unternehmen ablesen. Besser wäre es, die Deutsche Börse würde ihre Verantwortung erkennen und Porsche einen Stammplatz im Dax einrichten.
Mehr: Porsche senkt Gewinnprognose erneut – Marge bricht weiter ein






