Kommentar: Russlands Milliarden – Europa verspielt Zeit, Putin jubelt


Europa wollte Stärke zeigen: Auf ihrem Gipfel wollten die EU-Staats- und -Regierungschefs den Weg frei machen, um das eingefrorene russische Vermögen für die Ukraine einzusetzen. Stattdessen vertagen sie die Entscheidung auf Dezember.
Belgiens Premier Bart De Wever blockierte den Beschluss – angeblich aus Sorge vor der Rache Moskaus und der rechtlichen Risiken, in Wirklichkeit wohl auch aus innenpolitischen Gründen. Für Wladimir Putin ist das eine gute Nachricht: Europa ist zwar deutlich stärker als Russland, macht sich aber erneut kleiner, als es ist.
Auf der Abschlusskonferenz inszenierte De Wever sich als entschlossenen Verteidiger belgischer Interessen und brachte seine bekannten Einwände vor, als seien sie bislang ignoriert worden. Er warnte vor einer „Konfiszierung“ und vor möglichen Kosten, falls ein Gericht Russland später recht gäbe.
Doch die EU-Kommission und -Mitgliedstaaten hatten Belgien bereits zugesichert, diese Risiken gemeinsam zu tragen. Auch EZB-Präsidentin Christine Lagarde hat sich bereits öffentlich für ein solches Reparationsdarlehen ausgesprochen.
De Wever weiß genau, dass er spätestens im Dezember zustimmen muss. Auf der Pressekonferenz – nach 17 Stunden im EU-Ratsgebäude in Brüssel – sagte er selbst, es gebe keine andere realistische Option, um die Finanzierung der Ukraine rechtzeitig vor Jahresende sicherzustellen.
Deshalb gehe er davon aus, dass die Kommission nun einen konkreten Vorschlag ausarbeiten und dann den Chefs zur Zustimmung vorlegen werde. „Es ist ein sehr dringendes Problem geworden“, sagte er. Er hätte es aber lieber gehabt, dass die Diskussionen dazu „diskret im Hintergrund gelaufen wären“.
Polittheater ist in Brüssel nichts Neues
Solches politisches Theater ist in Brüssel nichts Neues. EU-Gipfel sind immer auch eine Bühne. Nicht nur der britische Premier Boris Johnson und der ungarische Autokrat Viktor Orbán haben diese Kulisse genutzt, um zu Hause Stärke zu demonstrieren. Auch Spaniens Regierungschef Pedro Sánchez verließ 2022 demonstrativ den Saal, um während der Energiekrise Druck für Gaspreisdeckel aufzubauen.
Politik ist zu 80 Prozent Kommunikation – das verstehen Europas Politiker perfekt. Aber auch internationale Politik ist größtenteils Kommunikation. Abschreckung funktioniert nur, wenn sie glaubwürdig ist und rechtzeitig kommt. Während Donald Trump und Putin im Ukraine-Krieg immer wieder den Takt vorgeben, verheddert sich Europa. Und das, obwohl die EU technologisch und wirtschaftlich ungleich stärker dasteht als Russland – und in der Praxis längst der Hauptfinanzierer der Ukraine ist.






Europa liefert immer, wenn es hart auf hart kommt. Es wäre nur leichter – und wirkungsvoller –, wenn es das nicht immer erst im zweiten Anlauf täte.
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