Kommentar: Sie würde den Westen auf Jahre lähmen: Warum eine Präsidentin Le Pen eine Katastrophe wäre
Eine Gefahr für den Westen.
Foto: ReutersNach der Wahl ist vor der Wahl. Auch wenn Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron seine Herausforderin Marine Le Pen in der ersten Runde der Präsidentschaftswahl auf Abstand gehalten hat, kann Europa noch nicht aufatmen. Bei der entscheidenden Stichwahl in zwei Wochen droht ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen den beiden Kandidaten. Die Gefahr, dass die Rechtspopulistin im Elysée-Palast landet, ist allzu real.
Für die EU und die Nato wäre eine Präsidentin Le Pen eine Katastrophe. Zwar hat die Politikerin in den vergangenen Jahren ihre Rhetorik gemäßigt, um breitere Wählerschichten anzusprechen. Den Islam-Hass überlässt sie inzwischen ihren noch radikaleren Konkurrenten, auch den Kampf gegen den Euro hat sie aufgegeben.
Aber ihre Positionen bleiben brandgefährlich. Sie will mehrere Grundpfeiler der europäischen Ordnung einreißen. Sie lehnt die deutsch-französische Zusammenarbeit ebenso ab wie das grenzenlose Europa. Auch will sie die einzige verbliebene EU-Militärmacht aus den Kommandostrukturen der Nato lösen.
Block der Verhinderer
Wer nun denkt, ein solcher Schock täte der EU ganz gut, hat die Lektion von Donald Trump bereits vergessen. In Brüssel ist die Erinnerung an den früheren Disrupter-in-Chief im Weißen Haus noch frisch.
Befürchtet wird, dass Le Pen wie Trump die internationalen Strukturen des Westens auf Jahre lähmen würde. Als Erstes würde wohl die Einheitsfront gegen Russland im Ukrainekrieg zusammenbrechen. Le Pen hat aus ihrer Bewunderung für den russischen Präsidenten Wladimir Putin nie ein Hehl gemacht, auch wenn sie dessen Angriffskrieg zuletzt verurteilte.
Auch die Blockade der EU würde sich wohl verschärfen. Zusammen mit Ungarns Regierungschef Viktor Orbán und der polnischen PiS-Regierung, die seit Jahren europäische Vorhaben torpedieren, könnte Le Pen einen mächtigen Block der Verhinderer bilden. Orbán fühlt sich ebenfalls frisch gestärkt durch seinen jüngsten Wahlsieg.
Die Wahlen in Frankreich, Ungarn und Serbien zeigen, dass das Problem der rechtsnationalen Parteien in Europa keineswegs gebannt ist. Kein Wunder, dass der luxemburgische Außenminister und Super-Europäer Jean Asselborn „sehr besorgt“ ist. Le Pen würde die EU „auf eine total andere Schiene setzen“, meint er.
Bisher hat die EU die Herausforderung durch die Nationalisten einigermaßen gemeistert. Auch den Brexit-Test hat sie relativ unbeschadet überstanden, weil Großbritannien ohnehin schon an der Peripherie war. Etwas anderes wäre jedoch, wenn mit Frankreich ein Motor des europäischen Projekts ausfiele.