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KommentarSo gefährdet schlechte Zahlungsmoral die deutsche Wirtschaft

Die Zahlungsmoral sinkt. Vor allem große Unternehmen bezahlen kleine Lieferanten immer später. Sie nutzen ihre Machtposition oft schamlos aus, was viele neue Probleme auslöst.Katrin Terpitz 13.09.2024 - 08:38 Uhr
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Inkasso-Stempel: Viele Mittelständler wagen nicht, ihre offenen Rechnungen von Großkunden pünktlicher einzutreiben. Foto: imago images / McPHOTO

Deutsche Unternehmen sind immer länger in Zahlungsverzug. Mit 53 Tagen zahlen sie ihre Rechnungen doppelt so spät wie die vereinbarte Zahlungsfrist von durchschnittlich 26 Tagen. In der sinkenden Zahlungsmoral spiegelt sich der betrübliche Allgemeinzustand der deutschen Wirtschaft wider: Stagnation, Verschleppen und Zögern allerorten.

Eine schlechte Zahlungsmoral ist ein Frühindikator für Insolvenzen und damit ein Alarmzeichen. Denn sie löst in der gesamten Lieferkette einen gefährlichen Dominoeffekt aus. Den unbezahlten Lieferanten fehlt Kapital für Bestellungen und wichtige Investitionen. Schlimmstenfalls bringen Spät- und Nichtzahler ihre Dienstleister und Lieferanten selbst in Existenznot.

Es sind vor allem große Unternehmen, die durch verspätete Zahlungen die eigene Liquidität schonen. Viele kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) werden so ungewollt zu Kreditgebern von Großunternehmen. Diese nutzen ihre Machtposition oft schamlos aus. Die Kleinen wagen meist nicht, wichtige Kunden zu verärgern, indem sie Rechnungen pünktlicher einfordern.

Die EU hat deshalb dem Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr den Kampf angesagt. Denn jede vierte Insolvenz in der Union ist auf zu spät gezahlte Rechnungen zurückzuführen. Durch verkürzte verbindliche Zahlungsfristen will Brüssel fairere Bedingungen zwischen KMU und Großunternehmen schaffen. Immerhin stellen KMU zwei von drei Arbeitsplätzen in der EU.

Die Pläne sind gut gemeint, könnten aber schwere Nebenwirkungen nach sich ziehen. Denn eine Patentlösung gibt es nicht. Jede Branche hat ganz unterschiedliche Bedürfnisse. So übernimmt etwa der Großhandel durch längere Zahlungsfristen oft die Rolle des Vorfinanzierers für KMU, bis deren Waren verkauft sind. Gerade Mittelständler könnten durch deutlich kürzere Fristen in Zahlungsnot geraten.

Deutsche Firmen gelten als „Schnellzahler“

Und selbst wenn Unternehmen in der EU früher zahlen würden: Die Zahlungsgepflogenheiten von Kunden im Rest der Welt werden sich nicht ändern. Im Vergleich dazu sind deutsche Unternehmen immer noch „Schnellzahler“. Global gesehen hat sich die Zahlungsmoral so stark verschlechtert wie seit 2008 nicht mehr. Damals lähmte die Finanzkrise die Weltwirtschaft.

Kreditversicherer Allianz Trade warnt vor einer großen milliardenschweren Finanzierungslücke, die Unternehmen zwischenfinanzieren müssten. Diese Zusatzkosten würden wahrscheinlich auf die Verkaufspreise aufschlagen. Das könnte die Inflation anheizen.

Es ist wichtig, den Mittelstand vor Spätzahlern zu schützen. Aber Brüssel muss intelligentere Wege finden, damit die Konjunktur nicht abgewürgt wird.

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Erstpublikation: 09.09.2024, 11:01 Uhr.

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