Kommentar: Streichungen mit System: Die Restrukturierung bei SAP ist richtig


Trotz der ordentlichen Zahlen hat der Dax-Konzern im Kerngeschäft noch viel zu tun.
Das Restrukturierungsprogramm, das der Softwarekonzern SAP jetzt angekündigt hat, ist ein großer Einschnitt – auch wenn andere Technologieunternehmen mehr Stellen streichen. Der Softwarehersteller trennt sich von bis zu 3000 Mitarbeitern, teils durch Entlassungen – und vor allem: SAP überlässt damit einige Teilmärkte der Konkurrenz.
Die Konzentration auf das Kerngeschäft, die Vorstandssprecher Christian Klein verfolgt, ist richtig. Unternehmen kaufen SAP-Produkte, weil sie ihre Geschäftsprozesse effizienter, Lieferketten transparenter machen oder neuerdings CO2-Emissionen messen wollen. In diesen Geschäftsbereichen ist SAP führend, und sie entscheiden über die Zukunft des Konzerns. Die Ankündigung lässt aber einige Fragen offen, die das Management dringend beantworten sollte.
Die Analyse ist offensichtlich: Trotz der ordentlichen Zahlen hat SAP Probleme im Kerngeschäft. So zögern zahlreiche Bestandskunden, die neue Produktgeneration einzuführen – derartige Projekte gelten als langwierig und teuer. Daher muss der Konzern weiter massiv investieren, damit sich die Programme für alle lohnen und der Umstieg einfacher gelingt.
Trennung von Qualtrics kommt verspätet
Gleichzeitig bleibt der Kostendruck groß. Insofern ist nur konsequent, dass SAP einige Produkte von Partnern entwickeln lässt und sich aus einigen Bereichen zurückzieht, wo das Portfolio nicht konkurrenzfähig ist. Der Wettbewerb mit Salesforce ist kein Selbstzweck.
Der Plan, die Tochtergesellschaft Qualtrics zu verkaufen, könnte zudem ordentlich Cash bringen. Die Entscheidung fällt allerdings zwei Jahre zu spät: Als der Softwarehersteller Anfang 2021 einen Teil des Datenanalysespezialisten an die Börse brachte, war der Aktienkurs noch deutlich höher.
Vor allem drei Fragen sind es, die das Management nun zu beantworten hat. Erstens: Wie wird aus den vielen einzelnen und sinnvollen Initiativen – ob für die Stärkung von Lieferketten oder die Messung von CO2-Emissionen – eine langfristige Vision für die Unternehmenssteuerung im 21. Jahrhundert? Eine, die auch die Bestandskunden überzeugt?



Zweitens: Was heißt das für die eigenen Leute? Warum ist es beispielsweise nötig, Mitarbeiter in diesem Umfang zu entlassen, wo doch im Kerngeschäft Personal gesucht wird? Und wie gestaltet das Unternehmen die Stellenstreichungen für die Betroffenen angesichts der – trotz aller Widrigkeiten – sehr ordentlichen Ergebnisse?
Nicht zuletzt dürfte die Fokussierung bei den Kunden für Fragen sorgen: Wer bietet künftig Speziallösungen an? Und wie gut spielen diese mit SAP-Produkten zusammen? Beispiele aus der Finanzdienstleistungsbranche und dem Gesundheitswesen zeigen, dass solche Ankündigungen für Unruhe sorgen können.
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