Kommentar: Viktor Orban – im Dienst des Kremlherren
Während der Ukraine-Krise besucht der ungarische Premier den russischen Machthaber.
Foto: APKein Regierungschef der EU hat die Geduld seiner europäischen Partner so strapaziert wie Viktor Orban. Der ungarische Premier hat den Rechtsstaat im eigenen Land bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt. Er hat sich demonstrativ auf die Seite Chinas gestellt, als es galt, eine europäische Linie gegenüber dem aufsteigenden Systemkonkurrenten zu finden. Jetzt provoziert er die Partner mit seiner Moskaureise zum denkbar heikelsten Zeitpunkt.
Kein Wort verlor Orban über die militärische Bedrohung der Ukraine. Er sei in „Friedensmission“ unterwegs – was ihn freilich nicht davon abhielt, um billiges russisches Gas zu betteln. Russlands Präsident Wladimir Putin darf das durchaus als weiteren Erfolg in seiner Mission „Europaspaltung“ verbuchen.
Fairerweise muss man hinzufügen, dass auch die Bundesregierung mit ihren widersprüchlichen Signalen gegenüber Moskau an Putins Mission tatkräftig mitgewirkt hat.
Dennoch: Es war Putins erstes persönliches Treffen mit dem Regierungschef eines Nato-Mitgliedstaats seit der Eskalation im Ukrainekonflikt – und damit durchaus von diplomatischer Bedeutung. Emmanuel Macron, Frankreichs Staatschef und derzeit EU-Ratspräsident, wird demnächst auch nach Moskau reisen. Von ihm darf man erwarten, dass er einiges wieder zurechtrücken wird. Orban war als Handlungsreisender in eigener Sache im Kreml – zum Schaden Europas, und nirgendwo kann er derzeit wohl größeren anrichten als in Moskau.
Devot versicherte Orban seinem Gegenüber, niemand seiner EU-Amtskollegen wolle einen Krieg. So, als stellten nicht die mehr als 100.000 russischen Soldaten an der ukrainischen Grenze die Bedrohung dar, sondern die EU-Kollegen des ungarischen Ministerpräsidenten.
Verrat ist ein großes Wort. Aus Sicht jener osteuropäischen Länder wie Polen, der baltischen Staaten und vor allem der Ukraine selbst, die berechtigte Angst vor einem zunehmend unberechenbaren Kremlherrn haben, muss es sich so anfühlen.