Kommentar: Verantwortung statt Vertragstreue – VW muss raus aus Xinjiang

Es geht mutmaßlich um Zwangsarbeit. Nach den neuesten Vorwürfen gegen Volkswagen gibt es für Europas größten Autobauer in China nüchtern betrachtet nur einen Weg, um mit seinem wohl größten Reputationsrisiko umzugehen: VW muss raus aus Xinjiang.
VW bestreitet, von Verstößen gegen Menschenrechte gewusst zu haben. Am Ende ist das jedoch sogar zweitrangig. Es gibt für VW auch abseits der jüngsten Vorwürfe keinen plausiblen Grund, in der Uiguren-Provinz aktiv zu bleiben.
In seinem Werk in Urumqi führt VW zusammen mit seinem China-Partner SAIC aktuell Qualitätschecks fertiger Fahrzeuge durch, die genauso gut woanders stattfinden könnten. Betriebswirtschaftlich ist die Fabrik mit ihren knapp 200 Mitarbeitern damit irrelevant. Auch der Mehrwert der Teststrecke dürfte in Zeiten virtueller Fahrsimulatoren begrenzt sein.
BASF will sich aus Xinjiang zurückziehen
Gleichzeitig droht Volkswagen mit jedem weiteren Monat, den das Unternehmen am Standort bleibt, ein immer größer werdender Imageschaden. Nach dem angekündigten Rückzug des Chemieriesen BASF aus Xinjiang ist VW der einzig verbleibende Dax-Konzern in der Region.
Seit Jahren gibt es glaubwürdige Berichte über schwere Menschenrechtsverletzungen dort. VW kennt die Lage, nimmt sie ernst – und handelt dennoch nicht. Auch das sendet eine Botschaft.
Und die passt nicht mehr in die Zeit von Lieferkettengesetzen und ESG-Kriterien, durch die sich Unternehmen gesellschaftlich und vor dem Kapitalmarkt verpflichten, verantwortungsvoll zu handeln. So lässt sich auch erklären, dass selbst Investoren, die VW über Jahre die Treue hielten, die Aktie jüngst aus ihren Nachhaltigkeitsportfolios entfernt haben.
Auch wenn es für Ärger beim chinesischen Partner sorgt, bestehende Verträge aufzulösen: Der Konzern sollte sich rasch entscheiden, ob ihm seine Vertragstreue oder sein Verantwortungsbewusstsein wichtiger ist.