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KommentarZu früh für die Entwarnung: Insolvenzen und Arbeitslosigkeit werden stark steigen

Prognosen setzen wieder Wachstum in den Fokus, doch eine globale Krise des Arbeitsmarktes ist nicht zu verhindern. Die Regierung muss alles tun, um die Einstellungsbereitschaft zu fördern.Frank Specht 09.07.2020 - 04:00 Uhr
Foto: Burkhard Mohr

Die Welt steuert auf eine historische Arbeitsmarktkrise zu. Im günstigsten Fall – wenn es nicht zu einer zweiten Corona-Infektionswelle kommt – könnte sich die Arbeitslosenquote in den Industrienationen von 5,3 Prozent im Januar auf 9,4 Prozent zum Jahresende fast verdoppeln, warnt die OECD.

Das wäre der höchste Wert seit der Weltwirtschaftskrise der 1930er-Jahre. Allein in den USA haben seit Mitte März 45 Millionen Menschen zumindest zeitweise ihren Job verloren. Auch Europas Wirtschaft wird stärker schrumpfen als bisher erwartet.

Gemessen daran ist Deutschland bisher gut durch die Krise gekommen. Selbst wenn die Zahl der Arbeitslosen in der zweiten Jahreshälfte wie erwartet die Zahl von drei Millionen überschreitet, sind das noch keine dramatischen Verwerfungen. Die Fünf-Millionen-Marke aus der Zeit vor Gerhard Schröders Agenda-Reformen ist damit immer noch außer Sichtweite.

Ist Deutschland also eine Insel der Ruhe inmitten rauer See? Haben arbeitsmarktpolitische Instrumente wie die Kurzarbeit den Jobmarkt selbst gegen eine Viruspandemie immunisiert? Oder kommt das dicke Ende noch? Die konjunkturellen Signale sind gemischt und teils widersprüchlich.

Die gute Nachricht: Die tiefe Industrierezession, die schon lange vor Corona Bremsspuren auf dem Arbeitsmarkt hinterlassen hatte, scheint ihren Tiefpunkt durchschritten zu haben. Im Mai füllten sich die Auftragsbücher so stark wie nie zuvor seit Beginn der 1990er-Jahre.

Zu früh für Entwarnung

Die Erholung der Industrie ist zentral für die Lage auf dem Arbeitsmarkt, weil die dort Beschäftigten mit ihren vergleichsweise hohen Gehältern eine Stütze des Konsums und damit auch von Arbeitsplätzen etwa im Einzelhandel oder Tourismus sind.

Noch ist es aber für Entwarnung zu früh. Etwa jeder vierte Job in Deutschland hängt direkt oder indirekt an der Exportwirtschaft. Die Ausfuhren werden aber dieses Jahr einbrechen, und auch für 2021 ist nur eine langsame Erholung zu erwarten. Wie sich die Arbeitsmarktlage hierzulande entwickelt, hängt also auch mitentscheidend vom Tempo der Erholung in den europäischen Nachbarländern und den übrigen Exportmärkten ab.

Entscheidend wird sein, wie lange die Brücke der Kurzarbeit trägt, die sich in der Finanzkrise bewährt hat. Die Bewährungsprobe für eine solch tiefe Rezession, wie sie jetzt droht, steht aber eben noch aus. Vor allem stürzt die Brücke spätestens dann ein, wenn eine Firma wegen fehlender Liquidität oder aufgrund mangelnder Aufträge pleitegeht.

Deshalb muss Sorge bereiten, dass sich nach einer aktuellen Ifo-Umfrage gut ein Fünftel der Unternehmen durch die Krise in ihrer Existenz bedroht sieht. Sollten ihre schlimmsten Befürchtungen sich bewahrheiten, wird ein Rückfall in die Zeiten der Massenarbeitslosigkeit deutlich wahrscheinlicher.

Unklar ist auch, wie Corona die Wirtschaft insgesamt verändern wird. Wann wird es in Kneipen, Klubs oder Konzertsälen wieder eine Rückkehr zum Normalbetrieb geben, und wie viele Betriebe und Kultureinrichtungen überleben die Zeit bis dahin? Werden der Tourismus und der Luftverkehr sich jemals wieder so entwickeln wie vor Ausbruch der Pandemie? Lässt Corona die Innenstädte noch weiter veröden und Jobs im Einzelhandel verschwinden, weil die Kunden lieber beim Online-Versender ordern?

All das sind Unbekannte, die eine Prognose der Arbeitsmarktentwicklung so schwer machen.

Investitionsbereitschaft fördern

Damit das dicke Ende ausbleibt, sollte die Regierung alles tun, um die Investitionsbereitschaft der Unternehmen zu fördern und die Einstellungsdynamik zu stärken. Nur wenn investiert wird und neue Geschäftsmodelle entstehen, haben Menschen, die schon vor Corona keine Arbeit hatten oder jetzt durch die Krise ihren Job verlieren, eine Perspektive auf bezahlte Arbeit. Es stimmt optimistisch, dass einschlägige Beschäftigungsbarometer nach einem beispiellosen Einbruch bereits langsam wieder nach oben weisen.

Trotzdem muss die Regierung sich an ihr Versprechen, die Sozialbeiträge unter der 40-Prozent-Marke zu halten, auch dann erinnern, wenn das Schlimmste der Coronapandemie überstanden ist. Denn alles, was den Faktor Arbeit teurer macht, verzögert die wirtschaftliche Erholung und macht es schwerer, an die goldenen Zeiten des deutschen Jobwunders anzuknüpfen.

Die schwarz-rote Koalition sollte zudem nicht den Fehler machen, die krisenbedingt eingebrochene Einstellungsbereitschaft der Unternehmen durch zusätzliche Regulierung weiter zu dämpfen. Pläne für engere Grenzen bei befristeten Jobs etwa liegen in der Schublade – und sollten dort vorerst bleiben.

„Sozial ist, was Arbeit schafft“, hat die CDU/CSU in ihr Programm für die Bundestagswahl 2017 geschrieben. Bei weniger als 2,5 Millionen Arbeitslosen las sich der Satz damals wie aus der Zeit gefallen. Nun, da Corona die Arbeitslosenzahl der Drei-Millionen-Marke entgegentreibt, ist die Maxime plötzlich wieder aktueller denn je. Nun müssen die Union und ihr sozialdemokratischer Koalitionspartner nur noch danach handeln.

Mehr: Erst die Kurzarbeit, dann der Rauswurf? Die große Jobangst

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