Leserdebatte: Warum ist das mittlere Management so unattraktiv?
Das Mittelmanagement steckt in der Krise: Die Belastung in Führungspositionen ist groß, die Attraktivität, Chef zu sein, gering. Auch die Rückmeldungen aus der dieswöchigen Leserdebatte zeichnen dazu ein eindeutiges Meinungsbild.
Mittlere Führungskräfte seien zwar die „Prätorianergarde der Unternehmen“, sprich die Eliteeinheit, weil sie „oft als einzige“ sowohl fachliche als auch strategische Kompetenzen besitzen, so ein Leser. Dieses Potenzial könne jedoch nicht genutzt werden, da sich die Mittelmanager in einer „Sandwichposition“ befinden, wie es ein anderer Leser ausdrückt. Dem stimmt ein weiterer Leser zu und erklärt: Von oben komme Druck, „besser und effizienter zu arbeiten“, von unten komme Druck, „wenn die Regeln strenger oder die Ansprüche höher werden“.
Zudem sei es ein schwieriger Balanceakt zwischen „Work-Life-Balance“ (bei gleichzeitigem „Fachkräftemangel“) und „einengender Gesetzgebung“, fügt ein Leser hinzu. Es entstehe eine „unerträgliche ‚Käfer zwischen Baum und Borke‛-Situation, die den Job als Mittelmanager unattraktiv macht“, fasst ein Leser zusammen.
Darüber hinaus setze das Topmanagement den mittleren Führungskräften „mittel- oder langfristige Ziele“ vor, bewerte die Mittelmanager aber anhand ihrer „kurzfristigen Erfolge“, ergänzt ein anderer Leser und bezeichnet dies als die „Diskrepanz von Plan und Realität“. Zur Bewältigung dieser Herausforderungen seien jene Kandidaten geeignet, die eine „positive Grundeinstellung“, „mentale Stärke“ und eine „gute körperliche Verfassung“ haben sowie – und das sei das Wichtigste – „Bereitschaft“ zu Anpassung und Weiterentwicklung aufweisen, zählt ein Leser auf.
Ein Leser fügt dem noch „Verantwortungsbereitschaft“ hinzu, ein anderer nennt als wichtige Komponente die persönliche Freude am Führen und „daran, andere auf eine Richtung zu fokussieren, zu organisieren und psychologische Sicherheit zu schaffen“. Dies sei eine „nahezu unerschöpfliche Produktivitätsquelle“, schreibt er.
Für die aktuelle Ausgabe unseres Leserforums haben wir aus den unterschiedlichen Zuschriften eine Auswahl für Sie zusammengestellt.
Käfer zwischen Baum und Borke
„Das mittlere Management ist die Prätorianergarde der Unternehmen, weil dessen Vertreter oft als einzige Mitarbeitende in der Lage sind, fachlich der Belegschaft auf Augenhöhe zu begegnen und gleichzeitig Strategie in operative Arbeit umzusetzen.
Dieses Potenzial wird aber dadurch zunichtegemacht, dass oberes und Topmanagement das Mittelmanagement zunehmend für sinnentleerte Prozesse und Aufgaben einsetzen, für die man sich ‚zu schade‛ oder denen man nicht gewachsen ist. Daraus entsteht eine unerträgliche ‚Käfer zwischen Baum und Borke‛-Situation, die den Job als Mittelmanager unattraktiv macht.“
Frank Loock
Verletzlichkeit darf kein Tabu sein
„Führungskräfte, denen es nur um Macht, die eigene Karriere und Meinungen geht, braucht kein Mensch. Die verlieren auch den Spaß, weil es heute darum geht, das Potenzial in Menschen (und Prozessen) zu erkennen und sie zu entwickeln.
Dazu braucht es eine Kultur des Vertrauens, in der Verletzlichkeit auch bei Führungskräften kein Tabu ist. Dann bereitet Leadership Freude. Für eine neue Managementgeneration, die mit Mut, Integrität und aus dem Herzen heraus führt und das Unternehmen im Team nach vorne bringt.“
Jan van de Kamp
>> Lesen Sie auch: Warum es heute so schwer ist, Führungskraft zu sein.
Führung als Coaching verstehen
„Tatsächlich könnte man sich in Anbetracht des sich für Mittelständler deutlich verschlechternden Umfelds in Deutschland als Führungskraft in einer enger werdenden Sandwichposition wähnen. Themen wie ‚Work-Life-Balance‛ (bei gleichzeitig deutlich spürbarem Fachkräftemangel), die insbesondere durch die Generation Z in den Vordergrund gerückt werden, der Druck, der sich durch die immer noch wachsende Bürokratie weiter aufbaut, und die den Mittelstand immer weiter einengende Gesetzgebung geben wenig Anlass zum Optimismus.
Die Bewältigung all dieser Herausforderungen bedarf einer positiven Grundeinstellung und einer mentalen Stärke bei guter körperlicher Verfassung und – dies halte ich für elementar – der Bereitschaft, sich ständig weiterzuentwickeln und anzupassen. Im Ergebnis sollte ‚Führung‛ meines Erachtens mehr als ‚Coaching‛ verstanden werden. Die Freude im Umgang mit Menschen, die sich selbst mit ihren Fähigkeiten einbringen, bringt die erforderliche Bestätigung.“
Peter M. Weber
Wie ein Sandwich
„Meiner Meinung nach ist das ‚Chefsein‛ extrem unattraktiv geworden, da ich aus großen Industriekonzernen sowie aus kleineren Unternehmen höre, dass man als Chef eines Teams beziehungsweise einer kleineren Gruppe an Menschen wie ein Sandwich behandelt wird. Von oben macht der Abteilungsleiter oder die Unternehmensführung Druck, besser und effizienter zu arbeiten, doch von unten bekommt man auch Druck, da oftmals die eigenen Arbeiter lieber ‚krank machen‛, als wirklich zu arbeiten, wenn die Regeln strenger oder die Ansprüche höher werden.
Außerdem muss man sich vor allem als Vizechef viel gefallen lassen. Hat der eigentliche Chef zum Beispiel eines kleinen Teams keinen Bock und hängt sich nicht so rein, muss man als Vizechef noch mehr arbeiten, da sonst die Unternehmensführung nicht zufrieden ist.“
Julian Klingler
>> Lesen Sie auch: Raus aus der Sandwich-Falle! Fünf Überlebenstipps für Mittelmanager.
So führen, wie man selbst geführt werden will
„Um im Mittelmanagement als Führungskraft erfüllt und erfolgreich zu sein, ist es wichtig, den eigenen Handlungsspielraum zu nutzen. Dazu zählt:
a) die eigenen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen so zu führen, wie man selbst geführt werden will
b) den Sinn und Zweck der Unternehmung (Purpose) als Priorität für sich und das Team / die Organisation zu setzen; das fördert Spaß und Erfolg und hilft, Prozesse und Regeln als das zu nutzen, was sie sind: Hilfestellung zur Erfüllung des Purpose, nicht der Sinn selbst
c) den Dialog mit dem eigenen Management als stetige Möglichkeit zur Verbesserung der eigenen Fähigkeiten zu begreifen
d) mutig genug zu sein, sich beruflich zu verändern, wenn a, b und c nicht zu innerer Zufriedenheit mit der Aufgabe führen.“
Bruno Wohlschlegel
Immer und zuvorderst eine Frage von Charakter
„Die Frage nach Arbeitsumfang und Spaßfaktor im Blick auf Führungsarbeit vernachlässigt eine Komponente, die aber entscheidend ist: Verantwortungsbereitschaft.
Wenn es aber nur ums Wunschkonzert zum eigenen Besten geht, dann geht am besten gar keiner mehr arbeiten, denn dass es jedem zur bestmöglichen Zufriedenheit angerichtet wird, ist illusorisch. Grundsätzlich sollte jede Führungskraft die Belange und Befindlichkeiten der Untergebenen kennen, weil Führung keine Einbahnstraße ist, sondern in beide Richtungen, nach unten und nach oben, im Dienste der Sache justiert gehört. Dazu gibt es sicherlich diverse Parameter, aber wie man eine Tätigkeit ausfüllt, ist immer und zuvorderst eine Frage von Charakter.“
Uwe Mies
Wenn motivierende Statussymbole wegfallen
„Wenn 14 Prozent der befragten Angestellten Führungskräfte werden wollen, müsste das ausreichen – eine Führungsspanne von zehn in klassischen Organisationen und eine deutlich höhere in agilen oder hybriden Formen angenommen.
Wenn extrinsisch motivierende Statussymbole wegfallen, sollten intrinsische ein stärkeres Gewicht haben: die persönliche Freude daran, andere auf eine Richtung zu fokussieren, zu organisieren und psychologische Sicherheit zu schaffen.
Das ist nebenbei auch eine nahezu unerschöpfliche Produktivitätsquelle – etwas, das vielen Organisationen abgeht. Viele der beschriebenen, für Führungskräfte frustrierenden Situationen lassen sich durch ein Coaching, das sich auf die ‚persönliche Freude am Führen‛ fokussiert, bewältigen.“
Konstantin Wiethaus
Die Diskrepanz zwischen Plan und Realität
„Das Mittelmanagement leidet vor allem darunter, dass das Topmanagement zumeist mittel- oder langfristige Ziele definiert, das Mittelmanagement hingegen am kurzfristigen Erfolg gemessen und bewertet wird.
Es werden immer noch umfangreiche, insbesondere methodische Fehler gemacht, die langfristigen Unternehmensziele auf die unmittelbar wirksamen Erfolgsfaktoren herunterzudeklinieren. Daher kommt dann auch die Skepsis der operativ arbeitenden Firmenteile hinsichtlich der immer wieder ‚neuen Sau, die durchs Dorf getrieben wird‛. Die Diskrepanz zwischen Plan und Realität beschreibt damit sehr genau die Sandwichsituation des Mittelmanagements.“
Michael Langenberger
>> Leser Sie auch: Ein Unternehmensmanager erklärt, warum viele CEOs von ihrem Mittelmanagement genervt sind.
Es ist kein neues Problem
„Das Problem der unbeliebten Mittelmanager in Deutschland ist kein Problem, das jetzt neu aufgetreten ist. Es ist schlichtweg die Folge aus Jahrzehnten risikoscheuer deutscher Unternehmenskultur, die jetzt als ‚Cultural Clash‛ auf die heutige disruptive Wirtschaftsordnung prallt.
Die deutschen Führungsetagen haben sich zu lange in einer Mentalität der konservativen Strukturen gebadet. Den Preis dafür zahlt die Wirtschaft heute mit fehlenden Fachkräften und mangelnder Innovationskraft.
Dabei fehlen die Koryphäen der deutschen Mittelmanager tatsächlich gar nicht – es ist nur keiner bereit, in einer restriktiven Umgebung zu verkommen. Es wird Zeit, dass die deutschen Führungskräfte endlich Potenziale erkennen und sie auch wirksam fördern.“
Marius Huber
Fünf Punkte für mehr Spaß an der Führung
„Wie kann Führung wieder mehr Leuten Spaß machen?


1. Verbringe mehr Zeit mit deinen Leuten und weniger mit deinem Schreibtisch.
2. Die besten Unternehmensberater sind in der eigenen Firma – höre zu.
3. Kein Team kann mehr leisten, als du ihm zutraust – habe Vertrauen.
4. Lobe schriftlich und kritisiere mündlich – nicht umgekehrt.
5. Sprich mehr über Ziele als über Aktivitäten – feiere Erfolge.“
Dirk von Vopelius
Wenn auch Sie sich im Forum zu Wort melden möchten, schreiben Sie uns per E-Mail an forum@handelsblatt.com oder auf Instagram unter @handelsblatt.
Mehr: Pisa-Studie: Warum schneiden deutsche Schüler immer schlechter ab? Darüber diskutierte die Leserschaft zuletzt.
Erstpublikation: 04.01.2024, 12:55 Uhr.





