Kommentar: Der Staat darf den Mobilfunkern keine Milliarden schenken


Moderne Kommunikation wäre ohne Mobilfunkfrequenzen unmöglich. Das wertvolle Spektrum davon veräußert Deutschland – wie viele andere Länder – in Auktionen. Diese brachten der Staatskasse in den vergangenen zwei Jahrzehnten mehr als 70 Milliarden Euro ein. Doch in diesem Jahr fällt die turnusmäßige Auktion laut Plänen der zuständigen Netzagentur aus.
Telekom, Vodafone und Telefónica können jubeln. Sie bekommen vermutlich ihre wertvollen Mobilfunkfrequenzen einfach so um fünf Jahre verlängert. Im Gegenzug entgehen dem Staat, der Allgemeinheit, Milliardensummen. Das ist ein Fehler, der korrigiert werden sollte – aus drei Gründen.
Erstens: Mobilfunkfrequenzen sind sehr wertvoll. Es ist schlicht falsch, sie nicht zu versteigern. In Berlin werden ein 500 Milliarden Euro schweres Sondervermögen und zusätzliche Verteidigungsausgaben auf den Weg gebracht. Damit nicht alles per Schulden finanziert werden muss, dürften bald harte Einschnitte auf der Ausgabenseite erfolgen.
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Eine Streichung des Elterngelds steht zur Debatte, ebenso eine höhere Mehrwertsteuer. Vor diesem Hintergrund ist es schlicht nicht vermittelbar, wieso eine ökonomisch erfolgreiche Branche ein Milliardengeschenk erhält.
Zweitens: Es ist ein Irrglaube, dass die für die Netzbetreiber eingesparten Milliarden der deutschen Infrastruktur oder den Verbrauchern zugutekommen werden. Die Lobbyisten der Mobilfunker behaupten gerne, die Ausgaben in den Mobilfunkauktionen würden später beim Netzausbau fehlen. Der Ausbau des 5G-Netzes belegt jedoch, dass genau das nicht der Fall ist. Und das, obwohl ein Großteil der Erlöse der Auktion wieder in Fördermaßnahmen zum Netzausbau geflossen ist.
2019 wurden die Frequenzen für das moderne 5G-Netz für moderate 6,5 Milliarden Euro versteigert. Das ist sehr wenig im Vergleich zu den 50,8 Milliarden Euro, die noch im Jahr 2000 für die 3G-Frequenzen bezahlt worden waren.
Das hat aber nicht zu einem besseren Netzausbau geführt. Stattdessen ist das wirklich leistungsfähige 5G-Netz – in der Branche wird es „5G Standalone“ genannt – in Deutschland sogar bis heute nicht mit voller Leistung eingeführt. Bislang haben wir nur eine abgespeckte Variante dessen, was 5G eigentlich leisten kann: Echtzeitmobilfunk.
Schlimmer noch, die Netzbetreiber haben nicht einmal konkrete Pläne vorgelegt, ob das Echtzeitnetz überhaupt flächendeckend kommt.
Drittens: Die Netzagentur will die Mobilfunker im Gegenzug für den Wegfall der Auktion zu einem flächendeckenden Ausbau verpflichten. Solche Ankündigungen sind in der Praxis wenig wert. 2019 hatte sich 1&1 als neuer Netzbetreiber verpflichtet, bis zum Ende des Jahres 2022 insgesamt 1000 Mobilfunkstandorte in Betrieb zu nehmen. Zum Stichtag waren es dann – fünf.
Eigentlich hätte die Netzagentur eine harte Strafe verhängen müssen. Passiert ist jedoch fast nichts.
Das Signal an die Branche ist fatal. Selbst wer sich nicht an die Vorgaben hält, hat bislang von der Netzagentur nichts zu befürchten. Und kriegt stattdessen womöglich noch ein dickes Geschenk.





Hinweis der Redaktion: In der ersten Fassung des Textes stand „5G Standalone“ sei „nicht eingeführt“. Die Formulierung wurde in „nicht mit voller Leistung eingeführt“ korrigiert.
Mehr: Staat verzichtet wohl auf Milliarden für Mobilfunk-Lizenzen – fordert aber etwas anderes
Erstpublikation: 18.03.2025, 07:12 Uhr.





