Transformation: Warum Veränderung so oft an den Führungskräften scheitert

Transformation ist wie ein Diätplan: Jeder redet darüber, aber kaum einer hält durch. Nur rund zwölf Prozent aller größeren Change-Programme entfalten eine nachhaltige Wirkung, haben die Experten der „Harvard Business Review“ neulich analysiert. Es folgt ein Change-Projekt auf das nächste. So entsteht eine gefährliche Spirale aus Gleichgültigkeit und Frust. Diagnose: chronische Veränderungsmüdigkeit. Wirkungsvolle Veränderung erfordert mehr als ein paar Powerpoint-Folien in Schriftgröße 18. Aber was eigentlich genau? Wie gehen Führungskräfte mit Widerständen um? Mit Zweifeln? Und was machen die erfolgreichsten Chefinnen und Chefs generell anders? Aus meinen Gesprächen mit Unternehmerinnen, Führungskräften und Aufsichtsräten weiß ich, wie intensiv gerade viele über diese Fragen nachdenken. Deshalb beginnt ab heute die Handelsblatt Management Summer School, für die sich Reporterinnen und Reporter unserer Redaktion so intensiv wie nie zuvor mit dem Thema Leadership beschäftigt haben: Wir analysieren in den nächsten drei Wochen große Transformationsprojekte, sprechen mit CEOs über ihre Führungsprinzipien, lassen Aufsichtsräte und Business-Coaches zu Wort kommen und bieten Video-Talks mit Professorinnen und Professoren. Entwickelt und koordiniert haben die Summer School meine Kolleginnen Kirsten Ludowig und Julia Beil, die sich seit vielen Jahren mit dem Thema Leadership beschäftigen. Führung war noch nie so schwierig. Managerinnen und Manager scheitern häufiger als früher, zeigen aktuelle Studien. Weil der Druck so groß ist, aber auch, weil herkömmliche Managementmethoden nicht mehr funktionieren. In den zunehmend gespaltenen westlichen Gesellschaften bewegen sich Führungskräfte auch politisch auf schwierigem Terrain. Zudem sorgen der Klimawandel und die gerade beginnende KI-Revolution für Unsicherheit. In so einem Umfeld Entscheidungen zu treffen gleicht einer Autobahnfahrt mit Tempo 200 bei Starkregen – ohne Scheinwerfer. Die Folge: Führungskräfte entscheiden aus Angst vor Fehlern mitunter gar nicht mehr, wie unsere Titelgeschichte zeigt. Laut einer Studie des Nürnberg Institut für Marktentscheidungen sind Top-Führungskräfte bezogen auf Innovationen sogar ängstlicher als Durchschnittsbürger. Wenn wir also über die Probleme Deutschlands sprechen, über die schlechten Rahmenbedingungen, über die Wirtschaftsvertreter so gern klagen, dann müssen wir auch über die Führungskräfte sprechen. Denn wenn sie nicht an sich arbeiten, darauf weisen zig Studien hin, werden sie Teil des Problems. Weil sie nicht mehr in der Lage sein werden, mit der zunehmenden Komplexität umzugehen, die uns alle umgibt. Ich hatte es in meinem Leben grob gesagt mit zwei Arten von Chefinnen und Chefs zu tun. Da waren die einen, oft brillante Köpfe, die mit ihrer Präsenz, ihrem Wissen und ihrem Selbstbewusstsein alles überstrahlten. Mit ihrer Genialität und ihrer Energie konnten sie große Teams, mitunter ganze Unternehmen antreiben. Im Journalismus gibt es viele solche Figuren, aber auch in jeder anderen Branche. Sie waren oft selbst die besten Reporter, Ingenieure oder Wissenschaftler, und sie kamen wegen ihrer fachlichen Exzellenz an die Spitze. Es sind oft Figuren, neben denen alle anderen auf wundersame Weise schrumpfen. Und dann gibt es die andere Gruppe von Führungskräften, denen es gelingt, die Menschen in ihren Teams über sich selbst hinauswachsen zu lassen. Ihnen geht es nicht so sehr darum, was sie selbst wissen. Sie interessieren sich dafür, was ihre Teams wissen. Natürlich sind auch diese Führungskräfte kluge Köpfe. Aber ihnen ist klar, dass ihre Teams mehr können als jeder noch so geniale Einzelkämpfer – vorausgesetzt, jeder bringt seine ganze Kreativität und sein Wissen ein. Ich habe immer bewundert, wie es diesen Menschen gelingt, die Leistung ihrer Teams zu multiplizieren. Sie stellen nicht sich, sondern die Mission in den Mittelpunkt. „Multipliers“ hat die Forscherin Liz Wiseman ihr fesselndes Buch über solche Menschen betitelt. Einige von ihnen durfte ich in meinem Leben kennenlernen. Und dabei fiel mir immer wieder auf, dass richtig gute Führungskräfte erst einmal Fragen stellen – und anderen helfen, die Antworten zu finden. Jensen Huang etwa, der Mitgründer des zeitweise wertvollsten Konzerns der Welt Nvidia, sagte vor einigen Wochen der „New York Times“: „Ich gebe wahrscheinlich weniger Antworten als früher und ich stelle mehr Fragen.“ Mitunter stelle er den ganzen Tag nur noch Fragen. Das sei der beste Weg, sagt er, seine Führungskräfte auf neue Ideen zu bringen, sie zu animieren, neue Wege zu gehen. Daran musste ich denken, als ich in meinem Podcast mit Bayer-Chef Bill Anderson über seinen Umbau des Bayer-Konzerns sprach. Anderson sagt, er erinnere seine Leute immer wieder daran, dass er nicht derjenige sei, der die Dinge am besten wisse. „Ich gebe Input“, sagt er seinen Leuten. „Aber ihr müsst dann entscheiden, ob meine Ideen nützlich sind oder nicht. Ich erwarte nicht, dass ihr tut, was ich sage. Ich erwarte, dass ihr das Richtige tut.“ Veränderungen scheitern aus vielen Gründen. Aber sie scheitern immer, wenn sie lediglich von oben verordnet und nicht aus der Mitte der Organisation getragen werden. Und das hat viel mit den Menschen an der Spitze zu tun. Mehr: Sechs Fragen, die Manager im KI-Zeitalter beantworten können sollten