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US-HandelspolitikZölle retten keine heimischen Industrien

US-Präsident Trump sieht in Importen eine Bedrohung der inländischen Wirtschaft. Daher will er die US-Konzerne mit Zöllen schützen. Doch das könnte das Gegenteil bewirken. Ein Kommentar.Bert Rürup, Axel Schrinner 14.02.2025 - 09:22 Uhr
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Container im Hafen von Los Angeles: Protektionistische Handelspolitik. Foto: AFP

Zunächst sah es nach einem statistischen Ausreißer aus. Doch heute weiß man, dass das Jahr 1976 eine Zäsur für die US-Handelspolitik darstellte: Der zuvor traditionelle Exportüberschuss der größten Volkswirtschaft der Welt hatte sich in ein Defizit verwandelt – dem viele weitere folgen sollten. Im vergangenen Jahr belief sich das Defizit in der US-Handelsbilanz auf immense 918 Milliarden Euro.

1981 reagierte der gerade ins Amt gekommene Präsident Ronald Reagan auf das Defizit, das ihm Gerald Ford als einer seiner Vorgänger hinterlassen hatte: Reagan schnürte ein Zollpaket, um vor allem die heimischen Autoproduzenten Ford, Chrysler und GM vor der neuen Konkurrenz aus Japan zu schützen. Damit handelte das Weiße Haus vor einem halben Jahrhundert ähnlich wie heute.

Reagan verhängte einen Einfuhrzoll von 45 Prozent für japanische Autos. Im Jahr 1981 rang die US-Regierung Japan zudem eine Art freiwillige Selbstverpflichtung ab – und Japan sagte zu, nicht mehr als 1,6 Millionen Autos in die USA zu exportieren, etwa sieben Prozent weniger als zuvor.

Steuern und Zölle können überwälzt werden

Was auf den ersten Blick wie ein Sieg Reagans aussah, entpuppte sich als wirtschaftliche Niederlage. Denn diejenigen, die eine Steuer zahlen, sind nicht zwingend jene, die die Last in Form von Einkommensverlusten tatsächlich zu tragen haben. Steuern, Zölle und die Folgen anderer Handelshemmnisse können nämlich überwälzt werden.

Die von Reagan ausgelöste Wirkungskette liest sich wie aus einem Einführungslehrbuch in die Steuerlehre: Die erzwungene Verknappung des Angebots führte zu höheren Preisen und damit zu höheren Gewinnen.

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Die japanischen Autoproduzenten nutzten diese unerwarteten Gewinne für Investitionen, um ihren technologischen Vorsprung auszubauen. Gleichzeitig entwickelten sie neue, margenträchtigere Produkte, nämlich große und sportliche Fahrzeuge, die stark auf die Präferenzen der US-Konsumenten zugeschnitten waren.

Auf diese Weise konnten die japanischen Hersteller die US-Konzerne genau in dem Marktsegment attackieren, in dem diese sich durch hohe Zölle geschützt und unangreifbar fühlten – ein folgenschwerer Irrtum! Denn 1982 begann Honda mit der Autoproduktion in den USA, Nissan folgte ein Jahr später mit Pick-ups und 1985 mit Pkws. Toyota folgte 1986.

Ursprünglich sollte die mit der US-Regierung vereinbarte Einfuhrquote im Jahr 1985 fallen. Doch Japans mächtiges Ministerium für Handel und Industrie (MITI) behielt diese Quote aus strategischen Gründen bis 1993 bei und bestimmte zudem die jeweiligen Marktanteile der Unternehmen beim Export nach Amerika. Die Folge: Die japanischen Autohersteller konnten sich über stattliche zusätzliche Gewinne freuen – zulasten der Autokäufer in den USA.

Der Rest ist Geschichte. Der von 1931 bis 2007 größte Autoproduzent der Welt, General Motors (GM), musste diesen Spitzenplatz 2008 an Toyota abgeben. Am 1. Juni 2009 meldete GM Insolvenz an und wurde in großen Teilen verstaatlicht. 16 Monate nach der Insolvenz und Verstaatlichung kehrte GM im November 2010 an die Börse zurück.

Die Rettung kostete die US-Regierung 51 Milliarden Dollar, von denen 39 Milliarden durch einen späteren Verkauf des Unternehmens zurückflossen. Für die verbleibenden zwölf Milliarden Dollar mussten die US-Steuerzahler einstehen. Heute bietet GM in den USA nur noch vier Pkw-Modelle an und Ford gerade einmal zwei.

Beliebtestes Auto in den USA ist die Ford-F-Serie, ein je nach Modellvariante etwa fünf bis sechs Meter langer und über zwei Meter breiter Pick-up mit bis zu 730 PS. Die in den USA gefahrenen Klein- und Mittelklassefahrzeuge stammen nahezu ausschließlich von asiatischen Herstellern und prägen heute das Bild in vielen amerikanischen Großstädten.

Rückblickend steht fest, dass Reagans Handelspolitik die US-Autoindustrie nur kurzfristig vor unliebsamer Konkurrenz abschirmen konnte. Fakt ist, dass dieser einst für die USA höchst wichtige Industriezweig dadurch auf Dauer an Wettbewerbsfähigkeit verloren hat.

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Heute arbeitet die Mehrzahl der amerikanischen Automonteure nicht mehr in Detroit bei GM, sondern bei Toyota in Georgetown, Kentucky, San Antonio oder Texas – oder für Volkswagen, BMW und Mercedes, die wenige Jahre später große Werke in den eher ländlich geprägten amerikanischen Südstaaten errichteten.

Dies mag den Nationalstolz einiger US-Bürger kränken, ändert aber nichts daran, dass auch Werke ausländischer Unternehmen die Wertschöpfung im Inland erhöhen, Steuereinnahmen generieren, Arbeitsplätze und Wohlstand schaffen.

Wenn sich heute Präsident Donald Trump darüber ereifert, dass ihm vor allem Fahrzeugen asiatischer oder deutscher Hersteller auf den Straßen begegnen, dann übersieht er, dass viele davon made in USA sind. Von den knapp 1,4 Millionen Neuzulassungen deutscher Marken in den USA im letzten Jahr stammten etwa 474.000 aus Werken in den USA und knapp 330.000 aus Mexiko. Etwa 452.000 Autos waren made in Germany, und die übrigen 124.000 stammten aus anderen EU-Staaten.

US-Präsident Donald Trump: Die angekündigten Zölle auf Autoteile aus Kanada und Mexiko werden die in den USA hergestellten Automobile merklich verteuern. Foto: Mark Schiefelbein/AP/dpa

Zweifellos richtig ist allerdings Trumps Eindruck, dass US-amerikanische Hersteller in Europa und nicht zuletzt in Deutschland wenig erfolgreich sind. Weniger als 7000 Pkw setzten US-Marken aus heimischer Produktion im vergangenen Jahr in Deutschland ab. Der Top-Seller war der Ford Mustang Mach-E mit 2049 (!) Exemplaren.

Trump macht für diese bescheidenen Erfolge der US-Hersteller den EU-Einfuhrzoll in Höhe von zehn Prozent verantwortlich – zu Unrecht. Denn träfe diese Analyse zu, dann würde sich die Frage stellen, warum BMW immerhin rund 23.000 in den USA hergestellte X3 in Deutschland verkaufen konnte. In der Summe importieren BMW und Mercedes jährlich etwa 65.000 in den USA hergestellte Autos – trotz des EU-Zolls.

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Zutreffender ist wohl, dass sich die traditionellen US-Hersteller hinter den hohen heimischen Zollschranken für die SUVs und Pick-ups verschanzt haben und sich auf diese profitablen Segmente konzentrieren. Sie haben entweder verlernt, wettbewerbsfähige Autos für andere Märkte zu entwickeln, oder sie haben erkannt, dass es in den Vereinigten Staaten schlicht bessere Möglichkeiten gibt, Gewinne zu erzielen.

Heute ist jedoch China der weltweit größte Absatzmarkt für Autos, und die größten Autobauer der Welt heißen Toyota, Volkswagen und Hyundai. Im Jahr 2023 verkauften erstmals chinesische Hersteller mehr Fahrzeuge als US-Produzenten. Vor allem in den rasch wachsenden Schwellenländern sind chinesische Fahrzeuge sehr gefragt – nicht zuletzt aufgrund ihrer günstigen Preise.

An diesen Markterfolgen werden Trumps Zollpläne sicher nichts ändern. Die angekündigten Zölle auf Autoteile aus Kanada und Mexiko werden die in den USA hergestellten Autos merklich verteuern und damit ihre preisliche Wettbewerbsfähigkeit weiter schmälern.

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Auf diese Weise die US-Autoindustrie „great again“ machen zu wollen, ist ökonomischer Hokuspokus.

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