Kolumne „Inside Amerika“: Und der Täter der Woche ist? Ein Journalist

Washington. Ich weiß, aus persönlicher Betroffenheit geschriebene Texte sind eher selten journalistische Glanzstücke. Trotzdem, ein Versuch ist es wert, ist ja eine Kolumne. Seit fast sechs Wochen bin ich jetzt wieder in Washington. Ich war schon öfter hier in der US-Hauptstadt, vor allem während der Wahlkämpfe – auch für längere Zeit.
Die Menschen hier sind immer noch auffallend freundlich und offen. Und doch hat sich etwas geändert. Die Leichtigkeit ist weg. Vor allem politische Themen werden gemieden.
Ich nehme den schleichenden Klimawandel vor allem auch auf beruflichem Terrain wahr. Als Journalist überlegt man sich inzwischen zweimal, manchmal dreimal, was man wie und über wen schreibt, welche Worte man wählt, welche besser nicht. Nicht nur, weil einem neuerdings ein regierungsamtlicher Shitstorm droht, wenn man Dinge schreibt, die nicht so recht in die Weltanschauung Donald Trumps und seiner willigen Vollstrecker passen. Es sind diese persönliche Verachtung, dieser Übereifer, die stets mitschwingen, wenn die Trump-Leute sich die Journalisten vornehmen, gerne auch mit Milliarden-Klagen gegen deren Verlage untermauert.
Jeder kann und soll sie wahrscheinlich auch sehen, diese demonstrativen Anfeindungen, die der Präsident persönlich fast täglich öffentlich vollführt: die Journalistin, die sich als „stupid“ bezeichnen lassen muss, weil sie eine kritische Frage stellt. Oder die Kollegin, die mit einem „quiet piggy“ stummgeschaltet wird. „Hässlich, innen wie außen“, beschimpfte er eine weitere Kollegin.
Es sind übrigens tatsächlich meistens Frauen, die die Wutausbrüche treffen. All das bewegt sich jenseits menschlichen Anstands und fällt eindeutig in die Kategorie Fremdschämen. Nun gut, man muss es aushalten, Berufsrisiko.
„Verhaltensauffällige Reporter“ an den Pranger
Jetzt allerdings haben sich die durchaus kreativen Trump-Leute etwas einfallen lassen, was einem dann ganz die Laune verdirbt. Denn neuerdings finden sich verhaltensauffällige Reporter auf einer schwarzen Digital-Liste des Weißen Hauses wieder. „Media-Offender“ heißt die Kategorie auf der Website. Mit Begriffen wie „Galerie der Schande“ oder „Täter der Woche“ lässt der Präsident dort Berichterstatter denunzieren und diffamieren, die angeblich „Fake News“ über die Regierung verbreiten.
Reporter der „New York Times“, der „Washington Post“ oder „CNN“ erfahren schon die zweifelhafte Ehre, zu den „Mediensündern der Woche“ zu gehören, weil sie „falsch“, mindestens aber „irreführend“ berichtet haben, „linksradikaler Wahnsinn“, wie es auf der Website des Weißen Hauses zu lesen ist.
Nun, „Fake News“ heißt in diesem Fall etwa, wenn der Reporter in seinem Bericht über die Politik des Kriegsministers den Begriff „völkerrechtswidrig“ verwendet. Nur, wie will man es nennen, wenn Hegseth in der Karibik vor der Küste Venezuelas Schiffeversenken spielt und selbst Schiffbrüchige töten lässt, die den Raketenangriff auf ihr Boot überlebt hatten – ohne Anklage, ohne Gerichtsverfahren, ohne Urteil?
Oder: Oder: Die Medien-Wächter bezichtigen einen Journalisten der Lüge, weil er Senatoren zitierte, die neulich Soldaten aufgefordert hatten, „illegale Befehle“ zu verweigern. Der Präsident gebe keine „illegalen Befehle“, heißt es auf der Web-Seite. Trump selbst sprach übrigens von „aufrührerischem Verhalten“ der Senatoren, „das mit dem Tod bestraft gehört“.
Was also soll man von dem neuen Pranger-Projekt des Weißen Hauses halten? Washington ist nicht Moskau, nicht Teheran oder Ankara, nicht einmal Budapest. Doch es ist ein Anfang. Jene Namen, die auf der schwarzen Liste der „Media Offenders“ stehen, hätten eher einen Preis als „Helden der Zivilcourage“ verdient – obwohl sie doch nur ihrem Job nachgehen, nämlich die Mächtigen kritisch zu beobachten. Soweit ist es gekommen. ,
„Democracy Dies in Darkness“ – heißt das Credo der „Washington Post“. Die Dämmerung hat bereits eingesetzt. „Fake News“ – das ist Kampfbegriff jenes Mannes, der uns schon die dialektisch anmutende Formel von den „alternativen Fakten“ bescherte. Jetzt spielt er sich zum obersten Zensor auf – und das oft auch noch im Namen der Meinungsfreiheit. Dreister geht es nicht.


Die Einschüchterungsversuche jedenfalls sind ebenso offensichtlich wie wirkungsvoll – und das fühlt sich nicht gut an im „land of the free“.






