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USATrumps Start macht fassungslos? Verstörend ist, wie Europa reagiert

Nach knapp drei Wochen zeigt sich: Der neue US-Präsident ist nicht der Idiot, als den ihn viele darstellen. Das macht ihn aber umso gefährlicher. Doch es bleibt eine Hoffnung. Ein Kommentar.Jens Münchrath 07.02.2025 - 14:36 Uhr
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Donald Trump: Wirkmächtigster US-Präsident aller Zeiten? Foto: Reuters

Wie darf man es sich vorstellen, wenn Donald J. Trump morgens an den Start geht? Der neue Präsident zappt wahrscheinlich durch die verschiedensten Fernsehkanäle und macht sich dann erste Gedanken darüber, wie er die Nerven der Weltgemeinschaft heute strapazieren kann. Wie er zeigen kann, dass er einem Sonnenkönig Luis XIV. gleich unbegrenzte Macht besitzt.

Meistens scheint ihm da etwas einzufallen. Etwa die Idee, die Palästinenser einfach aus dem Gazastreifen umzusiedeln, den Landstrich in ein Golfresort zu verwandeln, nach vorheriger Annexion, versteht sich. Oder ob er sich überlegt, mal in Kopenhagen anzurufen, um der dänischen Regierungschefin klarzumachen, dass sie doch, bitte schön, nicht rumzicken soll, wenn er Grönland beanspruche.

Oder dass er es seinem kolumbianischen Amtskollegen mal richtig zeigen könnte, weil dieser nicht nur Widerworte gegeben, sondern sich auch geweigert hatte, zwei US-Militärflugzeuge mit gefesselten Migranten seines Heimatlandes in Bogotá landen zu lassen.

Nach den ersten knapp drei Wochen seiner zweiten Amtszeit jedenfalls lässt sich erahnen, dass der neue Präsident recht behalten könnte mit seiner Äußerung bei der Inauguration. Er möchte, so Trump, dass es über seine zweite Präsidentschaft einmal heißt, er sei der wirkmächtigste Präsident der amerikanischen Geschichte.

Drei Wochen Trump heißt drei Wochen des Bruchs mit Konventionen und Traditionen, drei Wochen Agitation und Aggression, drei Wochen der kontinuierlichen Disruption, um mal einen positiv besetzen Begriff zu verwenden.

Europas ausbleibende Antwort verstört besonders

Die Liste der Tabubrüche scheint schier endlos. Wo soll man beginnen? Mit der Tatsache, dass er schon bei seiner Antrittsrede im Kapitol gegen jegliche Tradition und Regeln des Anstands seinen Amtsvorgänger als „korrupt und inkompetent“ beschimpfte, obwohl dieser ihm kurz zuvor eine wohlgesonnene Amtsübergabe im Weißen Haus geliefert hatte? Trump selbst hatte Biden eine solche vier Jahre zuvor verweigert.

Hängen bleiben sicherlich auch die 1600 per Dekret begnadigten Kapitol-Stürmer vom 6. Januar 2021, also jene strafrechtlich verurteilten Verschwörer, die in Trumps Weltsicht „Geiseln“ sind, die sich am „Tag der Liebe“ ein wenig politische Mitbestimmung verschaffen wollten. Oder dass der Golf von Mexiko jetzt „Golf von Amerika“ heißen soll. Warum eigentlich nicht gleich „Donald Trump Golf“?

Nicht weniger spektakulär sind seine wirtschaftspolitischen Volten: Den Chef der US-Notenbank forderte er öffentlich auf, gefälligst den Leitzins zu senken, schließlich kenne er sich „mit Zinsen besser aus“. Ganz zu schweigen von seinem Strafzollwahnsinn, der nicht nur die Weltwirtschaft belastet, sondern auch der US-Ökonomie großen Schaden zufügt.

In weniger als drei Wochen also lieferte Trump das Programm einer ganzen Amtszeit. Noch verblüffender allerdings als die Tatkraft des 78-Jährigen ist die Lethargie jener, die mit großer Wahrscheinlichkeit Hauptbetroffene seiner Politik sein werden: die Europäer. Letztlich trifft Trumps Politrevolution vor allem sie, weil der Kontrast zwischen der Stärke Trumps und der Schwäche seiner europäischen Amtskollegen größer kaum sein könnte.

Die Welt fügt sich Trump

Überforderung, Erschöpfung, Fatalismus – das ist der Dreiklang, mit dem sich der Gemütszustand am besten beschreiben lässt. Unsere emotionalen Empörungskapazitäten sind inzwischen aufgebraucht, vielleicht auch in der Gewissheit, dass Trump nichts mehr gestärkt hat als die moralisierende Überheblichkeit des ehemaligen – so muss man es inzwischen formulieren – Establishments.

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Man fügt sich, wohl wissend, dass große Errungenschaften verloren zu gehen drohen: der Multilateralismus, das Streben nach Konsens und Gerechtigkeit, Rechtsstaatlichkeit und eben auch Pluralität.

Aber auch der Selbstbeschwörungen, jetzt schlage die Stunde der europäischen Einigkeit oder gar Souveränität, ist man inzwischen müde. Allein weil uns inzwischen klar ist, dass das, was Amerika durchlebt, Europa noch bevorsteht. Mit einem nicht ganz unwesentlichen Unterschied allerdings: Während Amerika vor ökonomischer Potenz und Zuversicht strotzt, lebt der Europäer in dem Bewusstsein, dass er die besten Zeiten längst hinter sich hat.

Was aber hilft angesichts der Überforderung?

Es wäre schon viel gewonnen, wenn Europa selbst in der Lage wäre, seine Werte zu leben. Das allerdings ist zunehmend schwerer, weil auch in Europa die politischen Ränder die Mitte zu marginalisieren drohen. Auch der vermeintlich Aufgeklärte in Europa spürt die Kraft der politischen Ränder.

Es ist eine Kraft, die nicht selten in Wirtschaftskreisen eine gewisse Bewunderung auslöst, zu beobachten in Davos oder bei den wiederholten Ergebenheitsgesten der Silicon-Valley-Elite. „Endlich handelt mal einer“, so die erstaunlich weit verbreitete Attitüde.

Tatsächlich ist Trump eben nicht der Idiot, als den ihn viele darstellen. Das macht ihn aber umso gefährlicher. Trump verfügt über einen ausgeprägten politischen Instinkt, er ist trotz aller mangelnden Integrität ein begnadeter Wahlkämpfer. Es hilf jedenfalls nichts, sich am Charakter des Präsidenten abzuarbeiten – auch das ist eine Lehre seines Erfolgs.

Bleibt die Hoffnung, dass die Trump’sche Revolution an ihren eigenen Widersprüchen scheitert. Denn das Libertäre und Autoritäre seiner Bewegung passen nicht wirklich zusammen. Im Gegenteil: Der machtvolle Auftritt des Staatsrepräsentanten Trump und die staatsverachtende Haltung seiner Jünger aus dem Silicon Valley schließen sich aus. Für beide dagegen gilt: Wenn sie Freiheit sagen, meinen sie in erster Linie die eigene. Das schweißt zusammen – vorerst.

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Aber auch diese Gemeinsamkeit kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass Trumps Hybris mehr und mehr auf politische wie ökonomische Realitäten treffen wird: Weder konnte er den Ukrainekonflikt binnen 24 Stunden, wie angekündigt, lösen, noch wird er den Nahen Osten mit seinen skurrilen Ideen befrieden. Mit seinem aggressiven Protektionismus gefährdet er nicht nur die Weltwirtschaft, sondern am Ende den Wohlstand seiner Landsleute.

Und auch das freiheitsliebende amerikanische Volk wird sich irgendwann seinen autoritären Anwandlungen widersetzen. Etablierte wie neue Medien werden Fragen stellen. Gerichte werden Dekrete prüfen. Und Menschen werden ihre Zivilcourage wiederentdecken, sobald sie spüren, was auf dem Spiel, wenn Staatsverächter und Oligarchen ungehindert den Marsch durch die Institutionen fortsetzen können.

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