Morning Briefing: Abgang: BP-Chef stolpert über Compliance-Verstoß

Abgang: BP-Chef stolpert über Compliance-Verstoß
Guten Morgen, sehr geehrte Leserinnen und Leser,
die Top-Personalie von gestern Abend: Der Chef des Ölkonzerns BP, Bernard Looney, tritt überraschend mit sofortiger Wirkung zurück. Wie das Unternehmen am Dienstag mitteilte, soll Finanzchef Murray Auchincloss den Konzern vorübergehend führen. Looney habe BP darüber informiert, dass er ehemalige Beziehungen zu Kollegen nicht wie vorgeschrieben komplett offengelegt habe.
Der 53-jährige BP-Veteran hatte sein Amt im Februar 2020 mit dem Versprechen angetreten, bis zum Jahr 2050 null Nettoemissionen im Unternehmen zu erreichen und Milliardensummen in erneuerbare und kohlenstoffarme Energien zu investieren. Zuletzt hatte Looney aber einige seiner ehrgeizigen Ziele zurückgezogen und die Ausgaben für Erdöl und Erdgas wieder erhöht.
Die Position, das ist der Präsidentenjob bei der Europäischen Investitionsbank (EIB) in Luxemburg, einer heimlichen Gigantin unter den öffentlichen Förderbanken. Mit billigen Krediten soll die EIB Wachstum und ökologischen Umbau in der EU vorantreiben. In den zwölf Jahren unter dem scheidenden deutschen Präsidenten Werner Hoyer ist die Kreditsumme der Bank von 52 Milliarden auf 72,5 Milliarden Euro gestiegen.
Die langjährige EU-Kommissarin Vestager hat sich kürzlich für den Wahlkampf beurlauben lassen.
Foto: via REUTERSÜber die neue Chefin müssen die Regierungen der EU-Staaten entscheiden. Im Gespräch mit meinem Brüsseler Kollegen Carsten Volkery hat die Dänin Margrethe Vestager, die sich um den Chefposten bewirbt, jetzt ihre Pläne für die EIB öffentlich gemacht. Die für den Wahlkampf beurlaubte EU-Wettbewerbskommissarin will, dass sich die EIB stärker als bisher im Technologiesektor engagiert. Es mangele an europäischer Finanzierung, wenn Start-ups eine bestimmte Größe erreichten und ihre Produktion skalieren wollten: „Manche Dinge werden in Europa nicht finanziert.“
Die EIB könne neue Finanzprodukte mit großen Pensionsfonds und Family-Offices entwickeln, sagt Vestager. Diese hätten ein Interesse daran, Start-ups langfristig zu unterstützen.
Wichtigste Gegenkandidatin der Dänin ist die spanische Wirtschaftsministerin Nadia Calviño. Heute könnte eine andere Personalie entschieden werden, die das Rennen um den EIB-Posten beeinflussen dürfte: Der EZB-Rat in Frankfurt will die neue EU-Bankenaufseherin küren. Zur Wahl stehen die deutsche Ökonomin Claudia Buch und die spanische Notenbankerin Margarita Delgado.
Gewinnt Delgado, dürften die Chancen für Vestager bei der EIB steigen, weil es unwahrscheinlich ist, dass gleich zwei Topposten an Spanien gehen. Ein Sieg Buchs hingegen würde Calviños Favoritenrolle stärken.
Apple-Chef Tim Cook gibt seinen Sonderweg bei den Ladesteckern auf.
Foto: dpaUnd das muss diese europäische Verbraucherschutzpolitik sein, von der immer alle reden (am liebsten die EU selbst): Apple verabschiedet sich beim neuen iPhone 15 wie erwartet von seinem Lightning-Anschluss und stellt den Geräteanschluss auf den globalen Standard USB-C um. Die Europäische Kommission hat USB-C zum neuen Standard erhoben und eine Frist bis zum Jahr 2024 gesetzt.
Nun beugt sich Apple den Regeln – nicht nur in der EU, sondern weltweit. Apple erwähnte die EU in der gestrigen Produktvorstellung nicht. Die zuständige Apple-Managerin Kaiann Drance stellte den Wechsel zu USB-C als eine sinnvolle strategische Entscheidung dar: „USB-C ist ein weltweiter Standard, also bringen wir ihn auch zum iPhone 15.“ Zumindest einen genervten Nutzer, der regelmäßig das falsche Kabel fürs falsche Gerät dabeihat, machen Apple und die EU damit glücklich – mich.
Nach der gestrigen Produktpräsentation des iPhone 15 fiel die Apple-Aktie um knapp zwei Prozent – Börsianer hatten sich offenbar mehr erhofft. Eine Belastung für die Aktie ist auch das neue Verbot für Beschäftigte chinesischer Behörden und Staatsfirmen, iPhones am Arbeitsplatz zu nutzen. Schätzungen der Bank of America zufolge könnte dies den Verkauf der Geräte in China von 50 auf 40 Millionen Stück jährlich drücken.
Wie sehr Apples Wachstum vom iPhone abhängt (und vom chinesischen Markt) zeigen unsere Grafiken.
Seit ich als Wirtschaftsjournalist arbeite, gibt es eine Konstante: In welchem Unternehmen auch immer der Manager Utz Claassen auftaucht, dort winkt alsbald Unterhaltungsökonomie auf hohem Niveau. Wobei sich der Unterhaltungswert wahrscheinlich nur außenstehenden Beobachtern erschließt, nicht den Betroffenen.
Diesmal ermittelt die Staatsanwaltschaft Hannover gegen Utz Claassen und andere Manager wegen des Verdachts auf Insolvenzverschleppung. Es geht dabei um die Syntellix AG – ein Medizintechnikunternehmen, das Claassen 2008 gründete, lange Zeit als Aufsichtsratschef kontrollierte und seit 2018 als Vorstandsvorsitzender leitet.
Dazu passt folgende Anekdote, auf die unsere Investigativ-Reporter gestoßen sind: Anfang Februar 2021 schaffte Syntellix nach Handelsblatt-Recherchen einen neuen Dienstwagen für Claassen an, eine blaue Maserati-Limousine. Die Leasingrate von monatlich 2564,34 Euro sollte auf ein Konto der FCA Bank in Heilbronn gezahlt werden.
Am 22. März 2023 schrieb Claassens Fahrer, er habe einen Anruf von der Bank erhalten, wegen ausstehender Zahlungen von mehr als 20.000 Euro: „Der Wagen ist mittlerweile zur Fahndung ausgeschrieben und soll sichergestellt werden. Jeder, der den Maserati jetzt noch bewegt, macht sich strafbar. Wie soll ich mich verhalten?“
Am 5. April holte ein Inkassodienst den Maserati ab. Vielleicht ein kleiner Trost für Claassen: Wenige Wochen später startete das Deutschland-Ticket und bietet seither eine Alternative für preiswerte Mobilität.
Ach ja, da war ja noch was: Ich wünsche Ihnen einen Tag, an dem es auch für Sie nur einen Rudi Völler gibt.
Ihr Christian Rickens
Textchef Handelsblatt
PS: Alle sprechen über Kreislaufwirtschaft. Aber wie kann die Umstellung auf ein nachhaltiges und ressourcenschonendes Wirtschaften gelingen? Darüber sprechen wir am Montag, 18. September, um 18 Uhr unter anderem mit Mark Vester, Chef von Grüner Punkt Deutschland, Henkel-Adhesive-Nachhaltigkeitschefin Ulla Hüppe und Torsten Heinemann, Leiter Innovation & Sustainability bei Covestro. Hier geht es zur Anmeldung.