Corona-Tests brauchen einen Test – Handelsblatt Morning Briefing

Guten Morgen liebe Leserinnen und Leser, auch diese Woche wieder werden viele Deutsche ihre Zeit im Corona-Testzentrum oder zuhause mit Testkassetten („Wo ist der Strich?“) verbringen. Viele brauchen einen Nachweis für die Arbeit, das Fitnessstudio oder das Restaurant. Was aber all diese Test-Produkte wirklich leisten, ist noch unerforschter als die tatsächliche Zahl von Corona-Infizierten. Von den etwa 600 Antigen-Schnelltests auf dem deutschen Markt seien viele bisher „nicht von unabhängigen Stellen oder Wissenschaftlern geprüft“, warnt Oliver Keppler, Virologe der Ludwig-Maximilians-Universität München. Grundsätzlich gebe es große qualitative Unterschiede, die Aussagekraft der Selbst- und Schnelltests sei „doch sehr eingeschränkt“. Verbraucherschützer verlangen eine transparente Überprüfung. Weil das nach so vielen Pandemie-Monaten doch ein jämmerliches Bild abgibt, kündigt Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach umgehend eine Positivliste für Schnelltests an, die Omikron gut erkennen. Das Paul-Ehrlich-Institut übernimmt den Test der Tests, die bisher nach Angaben der zumeist chinesischen Hersteller zugelassen wurden. Ganz nach dem Schema: Wer nichts weiß, der muss alles glauben. Im politischen Leben wird ambitionierten Mundwerkern nichts so um die Ohren gehauen wie dröhnende Zitate oder unrealistische Zielangaben. Olaf Scholz, der wie Phönix aus der Asche der SPD ins Bundeskanzleramt geschwebte Regierungschef, ist davon doppelt betroffen. Da ist zum einen sein Merksatz: „Wer Führung bestellt, der kriegt sie auch“. Und da ist zum anderen sein Versprechen, spätestens Anfang März komme die Impfpflicht. Die Fakten deuten auf Frühsommer, wenn überhaupt. Nun sucht der Bundestag erst einmal Ende Januar in einer Orientierungsdebatte nach einem Kurs, was insbesondere die kleinste Regierungspartei FDP beschäftigt. Dann ist im Karnevalsmonat Februar nur eine Sitzungswoche angesetzt, und schließlich tagt der Bundesrat erst wieder im April. „Das ist keine einfache Entscheidung, das bedeutet einen tiefen Eingriff“, dämpft Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann Erwartungen an eine schnelle Impfpflicht. Irgendwie erinnert man sich plötzlich, dass Pragmatiker Scholz auch mal die Organisation eines G7-Gipfels mit der eines Hamburger Hafengeburtstags verglichen hat. Auf ein paar Dinge kann man sich bei der Partei Die Linke verlassen. Zum Beispiel, dass sie – wie gestern – an die Ermordung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht im Januar 1919 erinnert. Und dann natürlich, dass sie zu jeder Wahl eines Bundespräsidenten einen eigenen Kandidaten aufstellt. Das hat diesmal den demokratischen Vorteil, dass der bereits von Ampel und Union für die zweite Amtsperiode positiv examinierte Frank-Walter Steinmeier nun einen Gegenkandidaten hat – den Mainzer Sozialmediziner Gerhard Trabert, 65. Der Mann hat keine Chance, will sie aber nutzen, „um auf die Armut und soziale Ungerechtigkeit in diesem Land hinzuweisen, und um als Fürsprecher von Menschen aufzutreten, die zu wenig gehört werden“. Das sagte er der „Süddeutschen Zeitung“. Trabert merkte zudem noch an, dass sich Sozialdemokrat Steinmeier in der sozialen Frage ruhig öfter hätte melden können. Zu jedem Gipfel gehören im Vorfeld Verbalschläge. Das ist auch beim Ukraine-Gipfel von den USA und Russland so, der heute in Genf startet. Der amerikanische Außenminister Antony Blinken hat Wladimir Putins Land vor den wichtigen Verhandlungen zu einer Deeskalation in der Krise um die Ost-Ukraine aufgefordert. Es sei schwierig, „in einer Atmosphäre der Eskalation mit einer Pistole am Kopf der Ukraine“ Fortschritte zu erzielen. Blinken spielt auf die Soldateska von 100.000 Russen an, die an der Ukraine-Grenze postiert sind. „Verhandeln mit dem russischen Aggressor: Was will Putin?“ steht als Titel über einer Analyse unseres Experten Mathias Brüggmann. Wenn wir aktuell von Medizin reden, geht es oft um Corona. Schon bald aber dürften Krebstherapien im Zentrum stehen – und neue, individualisierte Anwendungen der mRNA-Technologie, die sich beim Massenimpfen gegen Covid-19 bewährt hat. Darauf hofft Senkrechtstarter Biontech aus Mainz – und fordert auch hier die etablierten Konzerne heraus. Zum Beispiel Bristol-Myers Squibb (BMS), den Weltmarktführer im stark wachsenden Onkologiegeschäft. CEO Giovanni Caforio kündigt im Handelsblatt-Titelkomplex an, den Kampf gegen Krebs mit vielen Neuentwicklungen voranzutreiben und stärker auf Zelltherapie zu setzen, vor allem bei der Behandlung von fortgeschrittenem Krebs. Der Konzern hat sich durch den Kauf des US-Rivalen Celgene und durch eine Allianz mit der Tübinger Biotechfirma Immatics gestärkt, muss aber um Umsatz bangen: Die Patente für das verkaufsträchtige Blutkrebsmittel Revlimid und drei weitere Anti-Krebs-Wirkstoffe laufen aus. Und dann ist da noch Lim Kok Thai, 70, Casino- und Kreuzfahrt-Milliardär aus Malaysia, der mit der deutschen Politik um ein paar Millionen zockt. Es geht um die angeschlagenen MV Werften in Mecklenburg-Vorpommern, wo derzeit das weltgrößte Kreuzfahrtschiff „Global I“ gebaut wird. Um 1900 Jobs zu erhalten, will die Bundesregierung – als eine Art kapitalistischer Reparaturbetrieb – 600 Millionen Euro in die Werft stecken, allerdings nur, wenn Thais Genting-Konzern 60 Millionen beisteuert. Der wolle jedoch nur 44 Millionen Euro zahlen, so die „Ostsee-Zeitung“. Thais Statthalter beschimpfen nun die Regierungsstrategen aus Berlin: „Die Werften jetzt fallen zu lassen wäre der größte ökonomische Fehler, den die Bundesregierung machen könnte.“ Die IG Metall dagegen fordert einen zügigen Verkauf der Werft in Stralsund. Der legendäre Kabarettist Wolfgang Neuss hätte hier angemerkt: „Nieten sind wichtig, wenn wir das Schiff wieder klar kriegen wollen.“ Ich wünsche Ihnen eine gute Navigation durch die Woche. Es grüßt Sie herzlichIhrHans-Jürgen JakobsSenior Editor Hier können Sie das Morning Briefing abonnieren:

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