

Illusion: Immobilien sind in Deutschland gar nicht teurer geworden
Guten Morgen, sehr geehrte Leserinnen und Leser,
Immobilien sind in Deutschland enorm teuer geworden. Spätestens seit dem jüngsten Zinsanstieg ist es für Normalverdiener endgültig unmöglich, sich noch eine Immobilie zu leisten. Stimmt doch, oder?
Nein, stimmt so nicht. Früher waren Immobilien in Deutschland kaufkraftbereinigt deutlich teurer als heute. Seit 1980 haben sie real, also nach Inflation betrachtet, um gerade mal 15,5 Prozent im Preis zugelegt. Im gleichen Zeitraum stiegen die verfügbaren Realeinkommen jedoch um 40,9 Prozent. Die Industriestaatenorganisation OECD errechnet aus beiden Größen einen Erschwinglichkeitsindex für Immobilien. Der ist seit 1980 deutlich gesunken, wie unsere Grafik zeigt.
Bezieht man zusätzlich die Hypothekenzinsen ein, die damals Rekordstände erreichten, war es 1980 sogar viermal so schwer wie heute, eine Immobilie zu finanzieren. Warum gelang es trotzdem so vielen Bundesbürgern? Früher habe man halt mehr gespart als heute, ist sich Reiner Braun, Chef des Wohnungsforschungsinstituts Empirica, sicher: „Meine Eltern haben bei zehn Prozent Zinsen als Einverdiener-Haushalt finanziert, das war eine ganz andere Belastung als heute. Wir sind ein paar Jahre nicht in den Urlaub gefahren oder nur in den Schwarzwald."
Womit wir bei der nächsten gefühlten Wahrheit sind: War nicht auch Urlaub in Deutschland früher viel erschwinglicher als heute? Vielleicht kann die OECD da mal nachrechnen.
Tatsächlich könnte derzeit sogar ein ziemlich guter Zeitpunkt sein, um eine Immobilie zu kaufen. Die Zinswende am deutschen Immobilienmarkt gibt Käufern neuen Verhandlungsspielraum. „Es lohnt sich für Interessenten, einen eigenen mutigen Preisvorschlag zu machen“, rät Gesa Crockfold, die Co-Geschäftsführerin des größten deutschen Immobilienportals Immoscout 24, im Interview mit dem Handelsblatt. Im Jahresvergleich habe sich der Anteil der preisreduzierten Offerten auf der Plattform verdoppelt: „Anfang 2022 waren es noch 6,2 Prozent, jetzt sind es zwölf Prozent."
Durchschnittlich müssten Verkäufer bei ihren Angeboten derzeit einen Preisabschlag von rund zehn Prozent hinnehmen — „allerdings nicht in den sehr begehrten Lagen“.

Kontrollen an der deutsch-österreichischen Grenze bei Salzburg: Deutschland ist ein Einwanderungsland.
Wo wir gerade bei erschütterten Gewissheiten sind: Manch einer hätte es nicht für möglich gehalten, dass unser Politikressortleiter Thomas Sigmund einmal die Ampel loben würde. Prinzipiell ist das ja auch nicht die Aufgabe von Journalistinnen und Journalisten — fürs Regierungslob gibt es schließlich genug Mitarbeiter beim Bundespresseamt.
Aber nach der gestrigen Einigung beim Zuwanderungsgesetz kommt der Berliner Kollege nicht umhin, in seinem Kommentar zu konstatieren: „Die Union hat sich fast 20 Jahre lang grundsätzlich dagegen gesperrt, Deutschland als Einwanderungsland zu betrachten. Die Ampel beendet das nun. Gut so."
Aber keine Sorge, die Kritik folgt: Um echte Willkommenskultur auszustrahlen, müsse Deutschland nun schleunigst seine Konsularabteilungen und Ausländerbehörden auf Vordermann bringen, denn: „Heute kann es passieren, dass eine Spitzenkraft von BASF acht Stunden auf den grauen Fluren von Behörden rumsitzt, bevor etwas passiert."
Der Dax schloss gestern insgesamt im Minus, doch ein Wert stach heraus: Die Covestro-Aktie beendete den Handelstag fast 13 Prozent höher. Grund: Der arabische Ölkonzern Adnoc hat Interesse an einem Kauf des deutschen Kunststoffherstellers bekundet. Das Unternehmen habe beim Covestro-Management wegen einer möglichen Übernahme vorgesprochen, sagten drei mit der Angelegenheit vertraute Personen dem Handelsblatt. Zuerst hatten die Nachrichtenagenturen Bloomberg und Reuters über die Gespräche berichtet.
Covestro wollte sich dazu nicht äußern. In den Kreisen heißt es, es habe sich um eine erste Kontaktaufnahme gehandelt. Ob es zu einem Übernahmeangebot kommen werde, sei offen.
Mit Gästen aus Politik und Diplomatie und einer Kindermannschaft seines Lieblingsvereins SpVgg Greuther Fürth hat der frühere US-Spitzenpolitiker Henry Kissinger im Theater seiner fränkischen Geburtsstadt seinen 100. Geburtstag nachgefeiert. Kissinger erzählte, wie er vor 90 Jahren dort erstmals die Oper „Fidelio“ sah. Er ist zudem einer der letzten Zeitzeugen, die die Spielvereinigung Fürth die deutsche Fußball-Meisterschaft erringen sahen. Im Jahr 1938 floh Kissinger als Sohn jüdischer Eltern mit seiner Familie vor den Nationalsozialisten in die USA. Seine Geburtsstadt besuchte er nach dem Zweiten Weltkrieg regelmäßig.
Als Vater kann sich Joe Biden freuen, dass sein Sohn Hunter so glimpflich davonkommt. Als Präsident dürfte ihm Hunter Bidens Deal mit den Strafverfolgungsbehörden eher schaden. Biden junior, der eine Drogenkarriere hinter sich hat, ist wegen Steuervergehen und illegalen Waffenbesitzes angeklagt worden. Als Teil einer Einigung, die am Dienstag öffentlich gemacht wurde, dürfte der 53-Jährige für die Steuervergehen mit einer Bewährungsstrafe davonkommen. Ein Richter muss dem aber noch final zustimmen.
Der Vereinbarung zufolge wird sich Biden vor Gericht schuldig bekennen, Einkommenssteuern in Höhe von jeweils mehr als 100.000 Dollar in den Jahren 2017 und 2018 nicht bezahlt zu haben. Es ist in den USA eher ungewöhnlich, dass strafrechtliche Vorwürfe sofort nach der Anklage beigelegt werden, kommt Experten zufolge aber immer wieder mal vor.
Für die oppositionellen Republikaner ist der Fall klar: Hier kommt jemand billig davon, weil sein Vater Präsident ist. Trump schrieb auf seiner Plattform Truth Social, Hunter Biden habe nicht viel mehr als einen Strafzettel bekommen, „unser System ist kaputt“.
Ein Satz, der gestern auch in Gelsenkirchen hätte fallen können. Nach einem Unentschieden gegen die Ukraine und einer Niederlage gegen Polen verlor die Fußball-Nationalmannschaft der Herren gestern in ihrem dritten Testspiel gegen Kolumbien mit 0:2. „Ich weiß nicht, ob bedenklich reicht. Es ist dramatisch“, beschrieb Nationalspieler Leon Goretzka anschließend beim TV-Sender RTL die Leistung seines Teams.
Den entschlossensten Zug zum Tor zeigten auf deutscher Seite zwei Klimaschutz-Aktivisten der Gruppe „Letzte Generation“. Sie liefen Mitte der ersten Halbzeit auf den deutschen Kasten zu und schienen sich daran festmachen zu wollen. Ordner hielten sie aber davon ab – auch Nationaltorwart Marc-André ter Stegen griff mit ein. Nach kurzer Unterbrechung lief die Partie weiter.
Vermutlich wäre Bundestrainer Hansi Flick gut beraten, sich von den Aktivisten einige Tricks zeigen zu lassen, um sich im Ernstfall rasch an seiner Trainerbank festkleben zu können.
Ich wünsche Ihnen einen Tag, an dem Ihre Ergebnisse stimmen.






Herzliche Grüße
Ihr Christian Rickens
Textchef Handelsblatt






